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Liefersituation bei Fahrradzubehör: „Die Glaskugel ist beschlagen“
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Donnerstag, 28. Mai 2020

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Aktuell boomen Fahrradverkäufe und die Radbranche scheint als eine von wenigen gestärkt aus der Corona-Krise hervorzugehen. Neben den Fahrradherstellern profitieren auch die Zubehöranbieter von der positiven Entwicklung. Viele Produkte erfreuen sich einer wachsenden Nachfrage. Doch geht das so weiter? Der pressedienst-fahrrad hat bei Herstellern nachgefragt.

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[pd‑f/tg] Nicht nur Fahrräder haben in der Corona-Zeit starken Rückenwind, auch ihr Zubehör boomt regelrecht. „So einen Auftragseingang wie im Mai hatten wir in der kompletten Firmengeschichte noch nie“, freut sich Sarah Baukmann von SKS Germany, einem Anbieter von u. a. Schutzblechen, Luftpumpen und Miniwerkzeugen. „Wir stellen einen starken Trend bei Transportanhängern fest“, sagt auch Markus Krill vom Anhängerspezialisten Croozer. Und Daniel Gareus vom Großhändler Cosmic Sports ergänzt: „Fahrradtaschen und Navigationsgeräte für den Radurlaub sind sehr gefragt, aber auch Werkstattzubehör.“ Das Frühjahr ist zwar bekanntlich immer ein starker Verkaufszeitraum für Fahrradprodukte, aber die Corona-Krise wirbelt aktuell die Branche gehörig durcheinander.

Hochwertige Produkte im Fokus

Speziell die Nachfrage nach hochwertigen Produkten überrascht selbst Brancheninsider. Cosmic Sports bietet beispielsweise exquisite Komponenten zum Nachrüsten an Sporträdern an. „Das ist aktuell ein überraschend umsatzstarker Bereich. Fahrradbegeisterte rüsten ihre Räder auf hochwertige Teile um. Das macht auch die Werkstätten voll“, stellt Gareus fest. Aber: Viele der Teile werden in kleinen Betrieben in den USA gefertigt und „dort steht der Betrieb aufgrund von Corona gerade still. Es wird also zu Lieferverzögerungen kommen“, prognostiziert Gareus. Auch ergonomische Upgrades an Sätteln oder Griffen erfreuen sich einer wachsenden Nachfrage. „Statt normalerweise einem, könnten wir aktuell sogar täglich zwei Container vollladen – aber der Versanddienstleister kommt leider nicht hinterher“, so Lothar Schiffner vom Ergonomie-Spezialisten Ergon, der damit einen wunden Punkt anspricht: Fahrradkomponenten werden weltweit produziert, weshalb eine funktionierende globale Lieferkette elementar ist.

Vom Schiff auf die Schiene

Doch diese ist durch Corona gestört. Eine Situation, die schwierig für die komplette Branche werden könnte, wie Dennis Schömburg vom Markenimporteur Messingschlager feststellt: „Die Produktion in Asien stand rund zwei Monate still, läuft aber mittlerweile wieder auf Hochtouren. Es fehlen jedoch Schiffe und Container, um die Ware abzuholen.“ Diese hängen in anderen Häfen fest, aber eine Leerfahrt nach Asien ist nicht rentabel. Lieferungen aus China werden mittlerweile verstärkt vom Schiff auf den Transport per Zug umgestellt, wie Markus Krill bestätigt: „Das spart Zeit und wir können die Verfügbarkeit aufrecht halten.“ Auch gibt es erste Logistikunternehmen, die direkt Lkws nach China schicken, um Container abzuholen. Der Preis dafür sind höhere Transport- und Logistikkosten.

Reifen weiterhin verfügbar

Erste Lieferengpässe zeichnen sich dennoch bereits ab. „Gummi wird langsam knapp“, sagt Schömburg und verweist auf die schrumpfende Verfügbarkeit von Fahrradreifen. Beim Reifengiganten Schwalbe gehen die Verantwortlichen jedoch davon aus, weitgehend unbeschadet durch die Saison zu kommen. Einzig bei sportiven Produkten können es vereinzelt zu längeren Lieferzeiten kommen. „Wir haben auch in der Corona-Zeit wie gehabt Ware produziert und eingelagert, um sicherzustellen, dass wir nicht leerlaufen, wenn die Läden wieder öffnen. Daher sind wir bei den Schnelldrehern, vor allem im urbanen Segment, sehr gut lieferfähig und erwarten keine Engpässe“, gibt Firmensprecherin Doris Klytta bekannt. Langfristige Prognosen sind aber schwierig: „Die Glaskugel ist beschlagen“, fasst Schömburg die Meinung vieler Branchenteilnehmer zusammen.

Vorteil „Made in Germany“?

„Unser Produktionsstandort in Deutschland erweist sich vor dem aktuellen Szenario wieder einmal als Vorteil“, sagt deshalb Peter Wöstmann vom Taschenspezialisten Ortlieb. Die Firma produziert im mittelfränkischen Heilsbronn und bezieht auch viele Materialien aus der näheren Umgebung. „Wir konnten unmittelbar Einfluss nehmen auf die Produktion, nachsteuern wo nötig, und haben die Zeit des Lockdowns nutzen können, um die Lagerbestände wieder aufzufüllen“, so Wöstmann. Deshalb sei man fast vollflächig lieferfähig und könne auf aktuelle Entwicklungen schnell reagieren. Auch beim Schlosshersteller Abus spürt man aktuell eine starke Nachfrage. Während bereits mancher Großhändler meldet, dass Fahrradschlösser ausverkauft seien, sind beim Marktführer bis auf wenige Ausnahmen alle Modelle verfügbar. Als Vorteil erweist sich die Produktion von hochwertigen Schlössern in Deutschland und dass zum Saisonbeginn die Lager voll waren. Regionale Fertigung ist auch beim Accessoires-Anbieter Fahrer Berlin ein großes Thema. Das Unternehmen konnte beispielsweise Anfang April bei einer lokalen Näherei die Fertigung von Behelfsmasken in Auftrag geben. „Dieser Markt ist jetzt gesättigt“, resümiert Philipp Elsner-Krause. Deshalb habe man die Produktion wieder auf Fahrradprodukte umgestellt. Aber: „Wir bekommen aktuell die Ware nicht konfektioniert“, verrät der Geschäftsführer. Man arbeite viel mit Behindertenwerkstätten zusammen, die allerdings noch nicht im Regelbetrieb arbeiten könnten, was jetzt zu Problemen bei der Auslieferung führe.

Jetzt schon an den Herbst denken

Überraschend ist zudem, dass auch Zubehörbereiche profitieren, die eigentlich im Sommer keine große Nachfrage erleben, wie Sebastian Göttling vom Beleuchtungshersteller Busch & Müller berichtet: „Mit der Öffnung der Läden Ende April gingen bei uns viele Bestellungen ein. Normalerweise geht das Thema Licht erst im Herbst richtig los. Das ist etwas komisch.“ Ähnlich ist die Situation bei SKS Germany: „Schutzbleche werden uns quasi aus der Hand gerissen. Das ist normalerweise ein Herbstthema. Auf einzelne Topseller haben wir Lieferzeiten von drei bis vier Wochen“, sagt Sarah Baukmann. Und genau diese Situation trübt etwas das aktuell positive Bild. „Teilweise geht es bei der Bevorratung wild zu“, beurteilt Dennis Schömburg. Man wisse als Hersteller nicht, ob die Händler die Produkte wirklich verkaufen oder aus Vorsichtsmaßnahme ins eigene Lager holen, was eine mittel- bis langfristige Planung und Prognose für die Produktion zusätzlich erschwere.

 

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