Kommentar zum Tag gegen den Lärm: Weniger ist mehr!
Dienstag, 27. April 2021
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Am 28. April ist der internationale Tag gegen den Lärm. Gefeiert werden soll damit also nicht der Lärm, sondern seine Abwesenheit. Aus guten Gründen: Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist in Europa Lärmbelastung das zweitgrößte Gesundheitsrisiko überhaupt. Lärm führt zu Stress und schadet so Herz, Kreislauf und Stoffwechsel. Laut Europäischer Umweltagentur (EEA) leben in Europa mehr als 100 Millionen Menschen in einer Umgebung mit gesundheitsgefährdenden Lärmwerten. Das Problem geht also alle an – übrigens nicht nur uns Menschen: Auch Wildtiere leiden massiv unter unserem Krach.
Gleichermaßen wirksam wie umstritten ist auch eine flächendeckende oder wenigstens weitreichende Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h innerorts. Geringere Geschwindigkeiten bedeuten niedrigere Lärmbelastungen. Eine solche Maßnahme ist vor allem dann sinnvoll, wenn sie großflächig ist, denn häufiges Bremsen und Beschleunigen sorgen eher für mehr Lärm und mehr Emissionen. Dass es auch in Großstädten geht, beweisen Modellprojekte wie aktuell in Barcelona, wo in einigen Modellstadtteilen die Geschwindigkeit des Straßenverkehrs sogar auf zehn Stundenkilometer reduziert wurde. Allerdings – das sollten wir als Radfahrende uns immer vor Augen führen – gilt so eine Maßnahme auch für uns. Wie schwer sich viele Radfahrer:innen damit tun, zeigt sich immer wieder in sogenannten verkehrsberuhigten Bereichen (umgangssprachlich bekannt als Spielstraßen): Kaum ein:e Velo-Fahrer:in hält sich hier im Alltag an die gesetzlich vorgegebene Schrittgeschwindigkeit. Im Gegenteil: Oft überholen hier Radfahrende sogar noch vorschriftsmäßig langsame Pkw.
Auch das E‑Auto ist geeignet, die Lärmbelastung besonders im Ortsverkehr zu reduzieren, wo Motorengeräusche einen wesentlichen Anteil an den Fahrgeräuschen ausmachen. Bis es soweit ist, sind wir aber alle zusammen gefragt, neben der CO₂-Bilanz auch die Lärmbilanz unseres Mobilitätsverhaltens in die ökologische und gesundheitliche Gesamtbewertung einzubeziehen – ein weiterer Grund, das eigene Auto, wo es geht, stehen zu lassen. Auch die Industrie ist gefordert, ihre E‑Antriebe noch leiser zu machen und auch das Thema Abrollgeräusche in den Blick zu nehmen. Übrigens nicht nur die Fahrradindustrie, die ist mit den jüngsten Antriebsgenerationen und Reifenmodellen bereits auf einem guten Weg.
Die WHO betrachtet in ihren 2018 überarbeiteten Lärm-Richtlinien übrigens ausdrücklich nicht nur Verkehrs‑, sondern auch Freizeitlärm als Problem. Und hier sind auch wir Radfahrer:innen in unserem Verhalten angesprochen. Die Unsitte, Boom-Boxen auf Ausflüge mitzunehmen oder die brüllende Unterhaltung bei Gruppenausfahrten von der ersten Fahrerin bis zum letzten Biker in der Reihe genauso wie Nightrides im ansonsten stillen Wald – das alles muss nicht sein! Weniger (Lärm) ist hier tatsächlich deutlich mehr (Lebensqualität).
Wie alltäglich Lärm in unserem Leben ist, sieht man übrigens an der Debatte um künstliche Geräuschkulissen für Elektro-Autos. Wir als Verkehrsteilnehmer:innen haben jahrzehntelang erlernt, dass es normal ist, wenn Verkehrsmittel Krach machen. Seine Abwesenheit führt oft zu brenzligen Situationen, etwa wenn Fußgänger:innen ohne zu schauen auf Fahrbahn oder Radweg treten, weil sie sich allein auf ihre Ohren verlassen (in denen oftmals seltsam geformte Ohrhörer stecken, die zusätzlichen Lärm machen – aber das ist eine andere Geschichte). Diese Situation kennen Pilot:innen von E‑Autos genauso wie Radfahrende. Lärm zur Erhöhung der aktiven Verkehrssicherheit kann allerdings im Sinne von Gesundheit, Wohlbefinden und Natur nicht die Lösung sein. Wir brauchen nicht mehr Krach, sondern weniger – und eine Verkehrsinfrastruktur, in der die Sicherheit der Menschen nicht von der Lautstärke von Motoren abhängt.
Arne Bischoff
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