Fahrräder speziell für Frauen?
Die Rahmenform zählt
Früher war die Sache klar: Herrenräder haben eine Stange, Frauenräder sind Tiefeinsteiger. Fertig. Doch die Kategorien von Damen- und Herrenrädern sind heute überholt. „Erlaubt ist, was gefällt und von den Körpermaßen her passt“, sagt Anja Knaus vom Schweizer E‑Bike-Hersteller Flyer. Und so bieten die meisten Fahrradhersteller ihre Modelle geschlechtsneutral und nach Rahmenform an. Räder mit tiefem Durchstieg seien mit einem Kindersitz oder viel Gepäck auch einfach praktisch betont Knaus: „Es geht bei uns immer ums Bedürfnis und nicht um das Geschlecht oder das Alter.“ Apropos Alter: Viel verdankt übrigens der Siegeszug des E Bikes dem tiefen Durchstieg: Da Elektrofahrräder zunächst vor allem von älteren, in ihrer Beweglichkeit eingeschränkten Käufer:innen gut angenommen wurden, waren bei Männern wie Frauen Tiefeinsteiger erste Wahl – also weniger eine Geschlechter–, sondern vielmehr eine Generationenfrage.
Wenn von frauentypischen Körpermerkmalen die Rede sei, dürfe man darunter allerdings nicht mehr als aus Durchschnittswerten abgeleitete Tendenzen verstehen, gibt Thomas Bernds vom gleichnamigen Fahrradhersteller zu bedenken: „Wenn zu uns jemand kommt, sehen wir nicht einen Mann oder eine Frau, sondern einen Menschen mit sehr individuellen Voraussetzungen. Unser Job ist es, die Denkschubladen geschlossen zu lassen und unvoreingenommen auf unterschiedliche Bedürfnisse einzugehen.“ Der Fahrradbauer bietet auch Rahmen mit tieferem Durchstieg an, spricht aber ausdrücklich nicht von Damenrädern. Viel wichtiger seien das Ermitteln der individuellen Sitzposition, die Länge des Rahmens sowie die Höhe des Steuerrohrs. Über die Auswahl entsprechender Komponenten kann die Geometrie den Proportionen der Fahrerin schließlich punktgenau angepasst werden.
Generell unterscheidet man bei Fahrradrahmen drei Varianten: den klassischen Diamantrahmen mit hohem Oberrohr, den Trapezrahmen, bei dem das Oberrohr etwas tiefer Richtung Tretlager angesetzt ist, und Rahmen mit tiefem Durchstieg. Beim deutschen E‑Bike-Hersteller Riese & Müller ist etwa das Stadtrad „Urban Line“ in drei Ausführungen erhältlich – als „UBN Five“ (Fünfeck-Rahmen), „UBN Six“ (tiefer Einstieg) oder „UBN Seven“ (abgesenktes Oberrohr).
Eine Frage der Größe
Gerade im sportlichen Segment, bei Gravelbikes, Rennrädern und Mountainbikes, gibt es keine Unterschiede zwischen Frauen- und Männermodellen – die Ausstattung zählt. Allenfalls die Lackierung lässt bei manchen Herstellern mutmaßlich darauf schließen, dass ein Modell für Frauen gedacht sein könnte. Viel wichtiger beim Fahrradkauf ist es die richtige Größe auszuwählen. Frauen haben im Vergleich zu Männern oft einen kürzeren Oberkörper bzw. längere Beine. „Ein Bikefitting leistet gute Dienste, um die richtige Rahmengröße herauszufinden“, erklärt Philipp Martin vom baskischen Hersteller Orbea. Es gibt deshalb auch Modelle in kleinen Rahmengrößen, sodass auch kleinere Frauen das richtige Modell finden. „Weitere Anpassungen können dann zum Beispiel über den Vorbau oder die Kurbel vorgenommen werden“, so Martin. Frauen hätten auch oft kleinere Hände, deshalb sollte man darauf achten, dass Bremse und Schalthebel gut erreichbar und am besten einstellbar sind.
Wichtige Unterschiede
Wenn es um die Sattelwahl geht, kann es hingegen sinnvoll sein, einen geschlechtsspezifischen Sattel zu wählen. Dabei kommt es in erster Linie auf die Sitzposition an. Bei aufrechter Sitzhaltung, z. B. auf einem Holland- oder Cityrad, sind Unisex-Modelle gefragt. Je sportlicher die Sitzposition wird, desto mehr liegt der Fokus auf einer geschlechterspezifischen Bestimmung. „Frauen sitzen bei sportlicher Fahrweise mehr auf den Genitalbereich, Männer mehr auf dem Dammbereich. Das gilt es bei der Sattelwahl zu beachten“, erläutert Lothar Schiffner vom Koblenzer Ergonomiespezialisten Ergon. Im zweiten Schritt gilt es dann den Sitzknochenabstand zu bestimmen, um die richtige Sattelgröße zu finden. Dieser lässt sich ausmessen und danach gilt: Ausprobieren!