Reiseräder: Freiheit auf zwei Rädern
Eine Reise kann man eigentlich mit jedem Rad unternehmen. Wenn’s sein muss, auch um die ganze Welt. Es sollte nur genug Gepäck transportieren können und dabei nicht mitten in der Wüste Gobi am Rahmenbruch verenden. Doch im Ernst: Unter dem Begriff Reiserad versteht man heute Modelle, die sich durch hervorragende Stabilität sowie höchste Belastbarkeit auszeichnen und tendenziell fernreisetauglich sind – also die bessere Ausführung eines Trekkingbikes. Unterscheiden lassen sich vor allem drei Varianten.
Über aktuelle Entwicklungen im Bereich Reiserad und welche Rolle mittlerweile der E‑Motor auch an Reiserädern spielt, informieren wir Sie in unserem Artikel „Zwischen Sixpack und E‑Mobilität“.
1. Expeditionsrad
Das Expeditionsrad ist der Inbegriff des Reiserads schlechthin. Technisch eher reduziert, setzt es auf wartungsarme Komponenten und sehr haltbares oder leicht zu reparierendes Material. Eine Federung ist somit tabu, stattdessen schwören viele Weltenbummler:innen auf einen Stahlrahmen, der überall auf dem Globus geschweißt werden kann. Anstelle hydraulischer Bremssysteme werden oft einfache, per Bowdenzug betätigte Scheiben- oder Felgenbremsen bevorzugt, weil ihre Reparatur weniger Werkzeug benötigt. Geschaltet wird gern mit wartungsarmen Getrieben in Hinterradnabe oder an der Kurbel. Immer öfter findet man in dieser Gattung einen laufleistungsstarken Riemenantrieb. Wichtig für Reiseradrahmen: Stabilität und hohe Belastbarkeit sowie genügend Gewindeösen für Gepäckträger, Trinkflaschenhalter und dergleichen Zubehör. In Sachen Gepäck können Radreisende sich aus den herkömmlichen wasserdichten Packtaschen und einer in den letzten Jahren stark gewachsenen Vielfalt von Bikepacking-Taschen bedienen. Aufgrund der persönlichen Bedürfnisse und Vorstellungen haben Reiseräder oftmals einen maßgefertigten Rahmen oder sind per Baukastensystem individuell konfigurierbar.
2. Komfortreiserad
Einen ganz anderen Weg beschreitet diese Spezies des Reiserades: Das Rad hat alles an Bord – von der Federung bis hin zur Hightech-Lichtanlage. Dabei sind Komfortreiseräder durchaus für den harten Einsatz konzipiert und warten mit großen Reserven auf. Breite, durchaus auch stark profilierte Reifen, eine Federgabel und evtl. ein gefederter Hinterbau geben Reisenden Komfort auf allen Wegen und optimale Traktion – also Bodenhaftung auch bei rauem Terrain. Vermehrt heißt auch beim Reiserad heute Komfort Elektrounterstützung. Solche Siebenmeilenstiefel in Form eines Motors verlängern gerade in bergigen Gegenden die Tagesetappen der meisten Reisenden, nicht selten wird die Reichweite durch einen zweiten Akku (im Gepäck oder direkt verbaut) aufgestockt. Der Begriff SUV‑E‑Bike hat sich für die Vertreter dieser Gattung etabliert, deren Basis ein E‑MTB ist, das um das für Alltag und Reise nötige Zubehör erweitert wurde.
3. Randonneur
Randonneure sind entweder klassische Reiseräder mit Rennlenker oder aber eine andere Bezeichnung für ein Reiserennrad (siehe Typenkunde Rennrad). Sie werden meist bei sportlichen Radreisen mit kleinem Gepäck eingesetzt, die weitgehend über Asphaltstraßen führen. Hier sind die Grenzen zur Gattung der Gravel- und Cyclocross-Räder fließend, denn wie diese erweitern Randonneure die Rennradtechnik um breitere Bereifung und vergrößern das Einsatzgebiet. Rennlenker und Scheibenbremsen aus der Ausstattungsliste der Cyclocrosser werden oft ergänzt durch Schutzbleche und eine Nabendynamo-Lichtanlage. Zudem erlauben Randonneure selbstverständlich die Montage eines Gepäckträgers.
4. Spezialreiseräder
Auch unter den Velo-Exoten finden sich zum Reisen hervorragend geeignete Räder: Das Liegedreirad zum Beispiel ermöglicht mit seinem großflächigen Sitz eine sehr bequeme Körperhaltung und diese wiederum den oft gelobten Panoramablick. Bei einer Radreise mit vielen Transfer-Etappen in anderen Verkehrsmitteln bietet sich auch ein Faltrad an. Selbst an den wendigen Modellen mit kleinen Rädern kann man die üblichen wasserdichten Packtaschen anbringen, an denen man Radreisende auf allen Kontinenten erkennt.
5. Bikepacking
Radreise ohne Reiserad – so lässt sich der Trend Bikepacking gut umschreiben. Denn hierfür werden vornehmlich sportliche Fahrräder ohne Gepäckträger genutzt: Mountainbikes, Rennräder, Cyclocrosser und Fatbikes etwa.
Das Gepäck verteilt man in Taschen im Rahmendreieck, an Sattel, Lenker und Gabelholmen – mit dem Ziel, das ausgewogene, sportliche Handling der Räder zu erhalten. Bei MTBs geht es dabei zudem um die Geländegängigkeit; für Schnee und Sand oder eher morastige Gegenden bieten sich die breiten Reifen der „Plus“-Räder und mehr noch der Fatbikes an. Der Komfortfaktor breiter Reifen steht dabei beispielhaft für die technische Tendenz der Bikepacking-Räder: Gern wird auf pflegebedürftige Technik verzichtet – ähnlich wie bei den eingangs erwähnten Expeditionsrädern.