Teiletausch: Bei E-Bikes ist nicht alles erlaubt
Bereits beim Wechsel eines abgefahrenen Reifens sollten E‑Biker:innen genauer hinsehen, ob der neue Reifen auch wirklich gefahren werden darf. „Durch die stärkere Beschleunigung, zusätzliches Gewicht und dynamisches Kurvenfahren sind Reifen zu empfehlen, die für den E‑Bike-Einsatz freigegeben sind“, erklärt Stefan Franken, Produktmanager Tour/E‑Bike bei Schwalbe. Der Hersteller aus dem Oberbergischen hat spezielle Reifen für E‑Bikes entwickelt, die auf die höheren Belastungen ausgelegt sind und sowohl an Pedelecs bis 25 km/h als auch an S‑Pedelecs bis 45 km/h verbaut werden dürfen. „Die Reifen erfüllen die europaweit gültige Zulassung ECE-R75, die bei Krafträdern Anwendung findet. Sie haben gute Rolleigenschaften und einen hohen Pannenschutz“, so Franken. Von den Entwicklungen profitieren auch die Reifen für „normale“ Fahrräder. Es gibt deshalb auch eine breite Auswahl an Reifen, die über die Bezeichnung „E‑Bike ready 25“ verfügen und somit für den Gebrauch am Pedelec freigegeben sind. „Wichtig: Auch auf die Einhaltung der gleichen Reifengröße sollte man immer achtgeben, um z. B. nicht ungewollt die Endgeschwindigkeit des Motors zu verändern“, ergänzt Franken.
CE-Konformität verhindert manche Umbauten
Die Freigabe des Bauteilherstellers ist für Verbraucher:innen wichtig, da E‑Bikes, also rechtlich gesehen Pedelecs mit einer Motorunterstützung bis 25 km/h, unter die CE-Konformität fallen. Das Elektrofahrrad ist also in der jeweils getesteten Ausstattung zugelassen. Durch das in Deutschland für den Verkauf von Pedelecs vorgeschriebene CE-Kennzeichen wissen Kund:innen, dass sie ein sicheres Produkt kaufen, das den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Beim Tausch einzelner Komponenten ist es deshalb entscheidend, dass nur Teile montiert werden, die das Fahrverhalten nicht verändern. Ansonsten kann die CE-Konformität erlöschen und sogar die Gewährleistung der Fahrradhersteller und der Versicherungsschutz verloren gehen. Grob fahrlässig handelt darüber hinaus, wer Änderungen am Elektroantrieb durchführt.
Umbauten sind dennoch Realität
Beim Austausch von Rahmen, Gabel oder Bremsen sollten E‑Biker:innen möglichst identische Teile verwenden, denn bei einem Tausch muss die Freigabe durch den E‑Bike-Hersteller vorliegen – und dieser testet meist nur wenige Kombinationen. Bei anderen Teilen, wie beispielsweise Bremsbelägen, ist es notwendig, dass eine Freigabe des Bremsenherstellers für den E‑Bike-Gebrauch vorliegt. So können auch andere Produkte desselben Herstellers verwendet werden, sofern sie eine Freigabe besitzen. Damit sollte man sich beschäftigen, wenn man einen Umbau vornehmen möchte. Wenn Fahrradhändler:innen einen Umbau ausgutem Grunde ablehnen, führen Kund:innen ihn oft selbst durch – trotz vorheriger Aufklärung über die Konsequenzen. Am Ende kann es sein, dass sie bei einem Unfall alle Kosten selbst tragen müssen – wenn es blöd läuft, zahlt sogar die Krankenversicherung nichts.
Schaltungswechsel mit Vorgaben
Für den Austausch der Schaltung braucht es, anders als bei vielen anderen Komponenten, überraschenderweise keine Freigabe durch den E‑Bike-Hersteller oder den Komponentenanbieter. Dennoch gibt es gewisse Regeln, an die man sich halten muss: So sollten alle Schaltungsbestandteile für die Gangzahl passend und untereinander kompatibel sein. Außerdem sind Kettenblätter oder Riemenscheiben im Durchmesser und Anzahl der Zähne identisch zu wählen. Das kann für Verwirrung sorgen – wenn man z. B. auf eine Getriebenabe umrüsten möchte, darf die Übersetzung der zuvor verbauten Schaltung nicht überschritten werden. Beim Umrüsten von einer Ketten- auf eine Nabenschaltung muss zudem ein neues Laufrad gebaut werden, das dem zuvor verwendeten in Felgendurchmesser und Breite entspricht.
Obacht bei Tausch von Licht und Radschützern
Knifflig ist auch der Umbau der Beleuchtung. „Scheinwerfer sind für eine bestimmte Spannung ausgelegt. Anders als Nabendynamos verfügen E‑Bike-Akkus nicht über Wechselstrom, sondern über nicht genormten, systemabhängigen Gleichstrom. Der Scheinwerfer braucht deshalb einen sogenannten Stromrichter, um mit unterschiedlichen Systemen kompatibel zu sein“, erklärt Sebastian Feßen-Fallsehr, Marketingmanager beim Lichtspezialisten Busch & Müller. Hinzu komme, dass der Scheinwerfer ein potenzieller Störfaktor beim Test der elektromagnetischen Verträglichkeit ist, die einen wesentlichen Teil der CE-Konformität von E‑Bikes ausmacht. „Durch unsere speziellen E‑Bike-Scheinwerfer gewährleisten wir, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden“, erklärt Feßen-Fallsehr. Abnehmbare Akku- und Rücklichter dürfen hingegen problemlos ausgetauscht werden, sofern sie über eine K‑Nummer verfügen und somit für den Straßenverkehr zugelassen sind. Auch keine besonderen Auflagen gibt es beispielsweise bei Speichen, Reflektoren, Fahrradglocken, Pedalen oder Schläuchen (mit identischem Ventil). „Bei Schutzblechen ist zu beachten, dass der Abstand zum Reifen mindestens zehn Millimeter beträgt. Ansonsten könnte sich Dreck zwischen Reifen und Radschützer verfangen“, sagt Beatrix Collins vom Anbieter SKS Germany. Für das Anbringen von Kinderanhängern oder Kindersitzen ist hingegen eine Freigabe durch den E‑Bike-Hersteller erforderlich. Dieser muss in der Betriebsanleitung darauf hinweisen, dass Möglichkeiten zum Kindertransport erlaubt sind – unter Berücksichtigung des zulässigen Gesamtgewichtes. Fahrradtaschen oder Topcases auf dem Gepäckträger sind ohne besondere Genehmigung zulässig, Frontkörbe brauchen hingegen eine Freigabe, da eine ungünstige Lastverteilung sich negativ auf die Fahreigenschaften auswirken kann.
Leitfaden im Internet nachlesen
Die genannten Beispiele sind jedoch nur ein Teil der vielen Komponenten eines E‑Bikes. Damit Radfahrende und Fahrradhändler:innen eine bessere Übersicht über alle Komponentengruppen, deren Austauschmöglichkeiten und die entsprechenden Freigaben bekommen, haben die Fahrradverbände Zweirad-Industrie-Verband (ZIV), Verbund Service und Fahrrad (VSF) und der Bundesinnungsverband Zweiradmechanikerhandwerk gemeinsam mit den Prüfdiensten Velotech.de und Zedler-Institut einen Leitfaden veröffentlicht. Zu tauschende Teile sind in fünf Kategorien eingeteilt, je nachdem, welche Freigabe sie benötigen. Aber: Kommt ein E‑Bike in die Jahre, kann es sein, dass die benötigten Ersatzteile nicht mehr verfügbar sind. Durch strenge Vorgaben für den Austausch stehen Kund:innen auf einmal mit einem unfahrbaren Rad da. Um hier nachhaltige und ressourcenschonende Lösungen zu haben, werden viele Reparaturen in einer rechtlichen Grauzone passieren – und Nachfragen bei Herstellern und Versicherern über die Erlaubnis zum alternativen Teileaustausch zunehmen. Eine Einzelabnahme individueller Umbauten durch ein Prüfinstitut, wie es der TÜV bei Autos bekanntlich macht, wird es weiterhin nur für S‑Pedelecs geben.