Das Erfolgsgeheimnis des E‑Bikes
Elektromobilität ist in aller Munde – ob beim Fahrrad oder beim Auto. Rein motortechnisch sind dabei kaum Unterschiede festzustellen. „Beim Aufbau des Antriebs herrscht im Geiste eine identische Idee, die auf den Prinzipien eines Elektromotors basiert, wie man ihn vielleicht noch aus dem Physikunterricht kennt“, sagt Anja Knaus, Pressesprecherin beim E‑Bike-Pionier Flyer. Grundlage ist ein gewöhnlicher Elektromotor mit einem Stator als Herzstück, einem Rotor und einem Kommutator. Der Rotor wird über den Kommutator unter Strom gesetzt und so zum Elektromagneten. Da der Stator ebenfalls magnetisch ist und sich gleiche Pole bekanntlich abstoßen, beginnt sich der Rotor zu drehen, wenn die gleichen Pole von Stator und Rotor aneinander liegen. Nach einer halben Drehung wird der Rotor mithilfe des Kommutators umgepolt, um sich weiterhin zu drehen. Mit diesem einfachen technischen Konzept funktionieren diverse Elektromotoren. E‑Bike-Antriebe sind als dreiphasige bürstenlose Gleichstrommotoren aufgebaut. Bei dieser Form ist der Rotor mit Permanentmagneten bestückt und der Stator umfasst eine Spule. Die Drehstromwicklung wird so angesteuert, dass ein wanderndes Magnetfeld erzeugt wird, das den Rotor mitzieht. Diese Art von Motoren kommt beispielsweise auch in PC-Lüftern oder E‑Autos zum Einsatz. Also eigentlich alles bekannt – aber was macht den E‑Bike-Antrieb jetzt so beliebt?
Zusammenspiel Mensch – Maschine
Das Besondere ist der Faktor Mensch. Anders als bei anderen E‑Antrieben ist beim E‑Bike nicht der E‑Motor die alleinige Kraftquelle. Während man beim Elektroauto nur das Pedal bedienen muss, bringt beim E‑Bike der Radfahrende seine eigene Beinkraft mit ein. Die Sensorik ist deshalb ein wesentlicher Bestandteil des Erfolgsgeheimnisses. Sie misst den menschlichen Faktor und passt die Unterstützung darauf an. Bei Mittel- bzw. Tretlagermotoren, wie sie mittlerweile an über 90 Prozent der Elektroräder zu finden sind, steuern die Bordelektronik und verschiedene Sensoren das Zusammenspiel von Geschwindigkeit‑, Kadenz- und Motor-Drehmoment. So entsteht ein Fahrgefühl, das optimal auf die Bedürfnisse der E‑Bike-Fahrenden abgestimmt ist. Eine besonders feinfühlige Sensorik ermöglicht erst die unterschiedlichen Charakteristika der Antriebe – von harmonisch-sanft an E‑Cityrädern bis sportlich-rasant an E‑Mountainbikes.
Sensoren steuern so gut wie alles
Neben dem eigentlichen Elektromotor kommen in einem Tretlagermotor auch noch ein Trittsensor sowie ein Getriebe zum Einsatz. Dieses kann z. B. als Planetengetriebe aufgebaut sein und wird durch den Motor angetrieben. „Der Elektromotor dreht schneller als der Radfahrende in die Pedale tritt. Das Getriebe passt die hohe Drehzahl des Motors auf die niedrige Drehzahl des Rades an“, erklärt Knaus. Zusätzlich verfügen Mittelmotoren über Hallsensoren. Diese helfen, den Elektromotor so in Bewegung zu setzen, dass er durch ein höheres Anfahrmoment kraftvoll starten kann.
Treten auch ohne Motorunterstützung
Neben der Sensorik, die jeder Hersteller selbst definieren kann, gibt es auch Unterschiede bei der technischen Ausstattung von E‑Antrieben. Der Brose-Antrieb besitzt beispielsweise einen speziell hergestellten, verstärkten Zahnriemen, der anstelle von Zahnrädern die Kraftübertragung vom Motor auf das Kettenblatt übernimmt. Bei Pinion ist der Motor und die Schaltung in einem Gehäuse kombiniert. Dadurch ist das System äußerst wartungsarm, weil es keine freiliegenden Schaltungskomponenten gibt.
Nabenmotoren als Alternative
Anhand solcher Besonderheiten erkennt man: Den einen E‑Bike-Motor gibt es nicht. Jeder Motor ist von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Das beginnt bereits beim Aufbau: Während Mittelmotoren über ein Getriebe verfügen, braucht ein Nabenmotor keines – und läuft dadurch ebenfalls leise und vibrationsfrei. Die Antriebe sitzen zudem direkt an der Vorder- oder Hinterradnabe, das Gehäuse ist also ein Bestandteil des Laufrades. Die Folge: Der Elektromotor dreht sich beim Fahren mit. „Nabenmotoren zeichnen sich deshalb durch einen höheren Wirkungsgrad und einen minimalen Wartungsaufwand aus. Sensoren helfen wie bei Mittelmotoren dabei, ein harmonisches Fahrgefühl zu schaffen“, weiß Alexander Kraft, Pressesprecher beim Liegeradhersteller HP Velotechnik. Bei Nabenmotoren trat aber lange Zeit das Problem einer Überhitzung, gerade bei langen Bergaufpassagen, auf, was zu Problemen wie einer plötzlichen Abschaltung beim Fahren führte. „Aber da haben die Ingenieure mittlerweile sehr große Fortschritte erzielt“, berichtet Kraft und ergänzt: „Nabenmotoren haben noch den Vorteil der Energierückgewinnung. Bei Bergabfahrten wird durch eine Motorbremse Energie in den Akku zurückgespeist. Das erhöht die Reichweite.“