Menü

„In Radverkehr wird aktuell zu wenig investiert“

Der Getriebespezialist Pinion ist ein Beispiel, wie man mit technologisch anspruchsvollen Fahrradprodukten aus deutscher Fertigung sehr erfolgreich sein kann. In den letzten fünf Jahren konnte die Zahl der Mitarbeitenden fast versechsfacht werden. Geschäftsführer Thomas Raith erklärt im Gespräch mit dem pressedienst-fahrrad, worin die Erfolgsfaktoren von „Made in Germany“ bestehen, warum die angekündigte US-Zollpolitik auch Vorteile haben kann und was er sich von einer neuen Bundesregierung erhofft.
Die Bildunterschrift wird in Bälde eingefügt. Sie können uns aber gern auch per E-Mail oder Telefon kontaktieren, wir helfen gerne weiter.https://www.pd-f.deImpressum/Imprint: pressedienst-fahrrad GmbH, Ortelsburger Str. 7, 37083 Göttingen, Germany, T: +49(0)551/9003377-0, info@pd-f.de, www.pd-f.de Quelle/Source: „www.pinion.eu | pd-f“
Quelle/Source: „www.pinion.eu | pd-f“
Kompletten Text downloadenBild downloaden
Text merken
Stand: Februar / 2025

Zum Unternehmen

Pinion ist ein Hersteller von Antriebs- und Schaltungssystemen für E‑Bikes und Fahrräder. Das Unternehmen wurde 2008 gegründet und ist seit 2022 Teil der kanadischen Unternehmensgruppe Bombardier Recreational Products (BRP). Die Getriebe werden am Standort im schwäbischen Denkendorf (Kreis Esslingen) entwickelt und endmontiert. Zuvor werden die einzelnen Getriebebauteile basierend auf Zeichnungsteilen von anderen Technologiefirmen aus der Automobilindustrie bzw. aus dem Maschinenbau möglichst regional gefertigt. Bei Pinion erfolgt dann die Endmontage inklusive montagebegleitenden Qualitäts- und Funktionsprüfungen. Pinion muss deshalb keine Rohstoffe einkaufen, sondern verarbeitet die spezifisch gefertigten Bauteile. Ein Großteil der verwendeten Metalle ist zu 100 Prozent recyclingfähig. Bei der Auswahl der Lieferanten achtet das Unternehmen auf Nachhaltigkeit. So arbeitet Pinion beispielsweise beim Bau der Magnesiumdruckgussgehäuse mit dem Werkzeughersteller Stihl zusammen, der seit 2023 seine Produktionsstätten laut eigenen Angaben treibhausgasneutral betreibt. Am Firmenstandort in Denkendorf sind aktuell rund 120 Mitarbeiter:innen beschäftigt. Vor fünf Jahren waren es noch ca. 20, was das rasante Wachstum des Unternehmens zeigt.

pressedienst-fahrrad: Herr Raith, warum ist es für Pinion wichtig, am Standort Deutschland festzuhalten? Gerade in einer Zeit, wo große Namen wie Bosch, VW und Thyssen-Krupp Stellen streichen bzw. Werke schließen wollen. Bei Ihrem Produktionspartner Stihl wird sogar seit einiger Zeit diskutiert, ob eine Produktionsverlagerung in die Schweiz Sinn macht.


Thomas Raith:
Wir produzieren hochwertige Antriebs- und Schaltungssysteme, die es so am Markt sonst nicht gibt. In der Umsetzung von solch technologisch führenden Systemen in Kombination mit hoher Produktqualität ist die Nähe zwischen Entwicklung und Produktion entscheidend. Außerdem ist für uns die Qualitätskontrolle vor Ort von einer hohen Wichtigkeit. Der reine Montageaufwand ist jedoch im Vergleich zu den Materialkosten gering. Zudem sitzen 80 Prozent unserer Kunden, also Fahrrad- und E‑Bike-Hersteller, in Europa. Kurze, nachhaltige Lieferwege stehen deshalb hoch im Kurs und vereinfachen die Logistik. Außerdem bekommen wir in Deutschland gute Arbeitskräfte, aktuell viele aus der Automobilindustrie. Von daher sehen wir deutlich mehr Vorteile, in Deutschland zu produzieren: Know-How, Geschwindigkeit und Flexibilität sowie Qualität und Nachhaltigkeit. Trotzdem muss man sagen: Die Rahmenbedingungen in Deutschland werden leider immer schwieriger.

„Wir brauchen Lösungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, dass wir wieder einen Umschwung in der Wirtschaft hinbekommen.“
Thomas Raith

Was sind die Gründe, warum der Produktionsstandort Deutschland an Attraktivität verliert?

Deutschland hat eine unglaubliche Kostenbelastung gegenüber anderen Standorten. Sei es bei den Lohnnebenkosten, aktuell durch höhere Beiträge zur Krankenkasse, bei der Gebäudesicherheit oder auch beim Bürokratieaufwand. Die hohe Inflationsrate der vergangenen Jahre ist ebenfalls eine Belastung. Wir brauchen deshalb Lösungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, dass wir wieder einen Umschwung in der Wirtschaft hinbekommen.
 
Welche Rolle spielen die hohen Energiekosten?

Eine große. Unsere Zulieferer konfrontieren uns laufend mit Preissteigerungen, die auf die hohen Energiekosten zurückzuführen sind. Steigende Energiekosten betreffen ja nicht nur die Produktion, sondern auch die Logistik. Unsere Energiekosten sind im europäischen Vergleich zu hoch. Dann überlegt man schon, ob man die Produktion verlagert. Das kann nicht im Sinne Deutschlands sein.

Die Bildunterschrift wird in Bälde eingefügt. Sie können uns aber gern auch per E-Mail oder Telefon kontaktieren, wir helfen gerne weiter.https://www.pd-f.deImpressum/Imprint: pressedienst-fahrrad GmbH, Ortelsburger Str. 7, 37083 Göttingen, Germany, T: +49(0)551/9003377-0, info@pd-f.de, www.pd-f.de Quelle/Source: „www.pinion.eu | pd-f“
Quelle/Source: „www.pinion.eu | pd-f“

Aber es kommen auch Unternehmen der Fahrradbranche aktuell zurück nach Europa. Ist das eine Besonderheit der Branche?

Warum geht man den Schritt, seine Produktion vom eigentlichen Markt weg zu verlagern? Weil die Logistikkosten geringer sind als die Arbeitsmarktkosten. Deswegen ist die Fertigung in Asien attraktiv. Die Logistikkosten sind viel zu gering, aber man sieht nicht, welcher Schaden dadurch für die heimische Wirtschaft entsteht. Deshalb finde ich es einen guten Weg, dass die Fahrradbranche darauf reagiert und Firmen die Produktion wieder zurückholen. Wobei: Vieles an Know-how fehlt mittlerweile in Europa bzw. die Kosten sind weiterhin extrem hoch. Wenn wir beispielsweise Akkus für E‑Bikes anschauen: Hier gibt es chinesische Produkte, die weit unter den Herstellungskosten in Europa liegen. Somit sind wir nicht wettbewerbsfähig. Da spielt dann auch das Thema Zölle eine Rolle. Wie schützt man bestimmte Bereiche, da in China viel subventioniert wird.

„Man denkt zwar, dass die Politik irrsinnig ist, aber es ist was Wahres dran: Mittelfristig kann es für uns sogar von Vorteil sein, wenn die Preisunterschiede geringer werden.“
Thomas Raith

Bei Zöllen kommt einem gleich die US-Politik unter Donald Trump in den Sinn. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation mit einem drohenden Handelskrieg zwischen China und den USA ein?

Wir spüren eine gewisse Unsicherheit. Man denkt zwar, dass die Politik irrsinnig ist, aber es ist was Wahres dran: Mittelfristig kann es für uns sogar von Vorteil sein, wenn die Preisunterschiede geringer werden. Ich finde, dass sich die Fahrradindustrie gerade sehr viele Gedanken macht und auch die richtigen Schlüsse zieht. Bei unseren amerikanischen Kunden merken wir bereits, dass weniger in China gefertigt wird. Es wird versucht, mehr Richtung Kambodscha und Vietnam zu verlagern, damit man den Zöllen entgeht. Wir brauchen jetzt auch in Europa die richtigen Rahmenbedingungen in der Wirtschaft und der Politik, um die Absatzwege für Fahrräder und E‑Bikes zu stärken und so auch die Gesamtwirtschaft zu unterstützen. Dazu zähle ich auch eine fahrradfreundliche Infrastruktur. Da ist gerade nur leider nichts in Sicht. In Radverkehr wird aktuell zu wenig investiert. Es müsste mehr dafür getan werden, dass der nachhaltige Verkehr gestärkt und die Mobilitätswende eingeläutet wird. Wir haben eine tolle Nachfrage, aber wir müssen daran arbeiten, dass die Leute das Fahrrad täglich gerne nutzen. Dazu gehören attraktive, fahrradfreundliche Städte. Der Blick ins Ausland zeigt, wie es funktionieren kann.
 
Wenn wir auf den Automarkt blicken, ist „Made in Germany“ selbst im Luxussegment nicht mehr ohne Konkurrenz. Eine deutsche Marke zu fahren hat nicht mehr die Symbolkraft wie früher. Ist „Made in Germany“ nicht mehr das Versprechen in gute Qualität?

Die Bereitschaft, für hochwertige Produkte zu zahlen, ist vorhanden. Das Produkt muss mehr können, es muss besser sein. Qualitativ hochwertige Produkte können an vielen Orten hergestellt werden und sollten nicht allein mit „Made in Germany“ in Verbindung gebracht werden. „Made in Germany“ sollte vielmehr ein Symbol dafür sein, wo Unternehmen investieren, wo Arbeitsplätze entstehen, wo Teile und Produkte hergestellt werden und inwieweit die Lieferketten auch aus ökologischen Gesichtspunkten sinnig sind. Und wo auch Innovation stattfindet. Beim Thema E‑Bike sind wir in Deutschland weltweit mit führend. Da ist sehr viel Know-how in Deutschland, das auch weiter gefördert werden sollte. „Made in Germany“ müssen wir deshalb hochhalten und die Kundinnen und Kunden sollten sich einmal mehr besinnen, was damit zusammenhängt.

Die Bildunterschrift wird in Bälde eingefügt. Sie können uns aber gern auch per E-Mail oder Telefon kontaktieren, wir helfen gerne weiter.https://www.pd-f.deImpressum/Imprint: pressedienst-fahrrad GmbH, Ortelsburger Str. 7, 37083 Göttingen, Germany, T: +49(0)551/9003377-0, info@pd-f.de, www.pd-f.de Quelle/Source: „www.pinion.eu | pd-f“
Quelle/Source: „www.pinion.eu | pd-f“

Kann es passieren, dass „Made in Germany“ zum Slogan der extremen Rechten in Deutschland wird?

Das glaube ich nicht. Was würde unsere Gesellschaft ohne die Mitwirkung von Migranten tun? In der Gastronomie, der Altenpflege oder auch im Gesundheitswesen: Wir wären nicht mehr existent. Auch in der Fahrradindustrie leben wir von der Vielfalt. Auch diese Menschen arbeiten in Deutschland und für deutsche Unternehmen. Deshalb ist es generell wichtig, dass die Wirtschaft in Deutschland funktioniert.
 
Ein weiteres warnendes Beispiel aus der Automobilbranche ist der Bereich Elektronik und Digitalisierung. Was muss sich ändern und was kann man ändern, um als deutsches Unternehmen im internationalen Umfeld zu bestehen?

Generell müssen wir Themen wie Bildung und Investitionen in neue Technologien stärker angehen. Im Vergleich zu den USA sind wir, was das Thema KI angeht, weit hinterher und investieren nur einen Bruchteil. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir Zukunftstechnologien nutzbar machen. Wir laufen leider Gefahr, von anderen überholt zu werden. Wir müssen deshalb über Partnerschaften mit anderen Ländern und Unternehmen diskutieren, damit wir sinnvolle Kooperationen eingehen. Ich habe den Eindruck, dass in Deutschland viele Themen eigenständig angegangen werden, um sie weiter zu optimieren. Doch im Verlauf des Projekts wird deutlich, dass man es nicht allein bewältigen kann. Wir müssen auch innerhalb der EU darauf achten, deutlich koordinierter zu handeln – insbesondere, um uns als attraktiven Bildungsstandort für kreative Talente zu positionieren. Staat und Wirtschaft müssen enger zusammenarbeiten. Ansonsten stellt sich wirklich die Frage: Mit was können wir international punkten? Für was steht Deutschland und Europa?

E-MTB von Bulls mit MGU von Pinion auf der Eurobike.
E-MTB von Bulls mit MGU von Pinion auf der Eurobike.Die MGU von Pinion wird an Rädern verschiedener Hersteller verbaut, etwa an den E-MTB von Bulls.https://www.pd-f.deImpressum / Imprint: pressedienst-fahrrad, Gunnar Fehlau, Ortelsburger Str. 7, 37083 Göttingen, Germany, T: 0049(0)551/5031545, M: 0049(0)171/4155331, F: 0049(0)551/5031457, gf@pd-f.de, www.pd-f.de www.pd-f.de / EUROBIKE Frankfurt
www.pd-f.de / EUROBIKE Frankfurt

Deutschland gilt als ein Land der Erfinder. Aber das Geld wird woanders verdient …

Wir haben in den letzten 30 Jahren durch unseren Globalisierungsansatz andere Länder mit unserem Know-how fit gemacht. Nun wendet sich das Blatt, und andere ziehen nach oder überholen uns sogar. Und da es mit unserem Bildungssystem nicht zum Besten steht, müssen wir hier mehr investieren. Bildung ist ein zentrales Thema – auch um die Bevölkerung politisch besser aufzuklären.
 
Welche Wünsche haben Sie an eine neue Bundesregierung?

Die Regierung sollte überlegen, wie man Kosten senken und effizienter wirtschaften kann, anstatt ständig neue Steuern einzuführen. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber muss es Lösungen geben, dass die Belastungen kleiner werden. Und ganz wichtig: konsequent handeln. Es wird immer jemanden geben, der unzufrieden ist, doch diesen Widerstand muss man aushalten, um Fortschritt zu ermöglichen. Ansonsten werden wir nicht vorankommen.

Zur Person:

Thomas Raith übernahm seine erste Führungsposition in der Fahrradbranche 2008, als er als Geschäftsführer beim Bremsenspezialisten Magura einstieg. Anschließend wechselte er 2013 zur Derby Cycle Holding mit den Fahrradmarken Fokus, Kalkhoff und Raleigh. Seit 2018 ist er Geschäftsführer bei Pinion.

Interview: Thomas Geisler

Die Bildunterschrift wird in Bälde eingefügt. Sie können uns aber gern auch per E-Mail oder Telefon kontaktieren, wir helfen gerne weiter.https://www.pd-f.deImpressum/Imprint: pressedienst-fahrrad GmbH, Ortelsburger Str. 7, 37083 Göttingen, Germany, T: +49(0)551/9003377-0, info@pd-f.de, www.pd-f.de Quelle/Source: „www.pinion.eu | pd-f“
Quelle/Source: „www.pinion.eu | pd-f“

Verwandte Themen und Inhalte

Motor und Getriebe in einem schlanken Gehäuse: Pinion „MGU“
Zehn Tipps zum E-Bike-Kauf
Der E-Bike-Markt wächst und wächst. Da ist es als Laie schwer, den Überblick unter den einzelnen Modellen zu bewahren und ein Fehlkauf ist schnell getätigt. Der pressedienst-fahrrad gibt Tipps, was man beim E-Bike-Kauf beachten muss.
Komfortabel Schalten dank Schaltautomatik
Immer mehr E-Bikes kommen mit Halb- und Vollautomatikgetrieben auf den Markt. Aber was verbirgt sich dahinter und wie können Radfahrende davon profitieren?

Entdecken Sie die Neuheiten!

Mehr Platz auf dem Gepäckträger: Fahrer Berlin „Carrier Platform“
mehr erfahren
Leichtes Sessel-Dreirad: HP Velotechnik „Delta tx“
mehr erfahren
Ein Laufrad, das mitwächst: „Puky Next“
mehr erfahren
Kippstabiles, faltbares E‑Dreirad: Bernds „Pickup Kompakt Gretel“
mehr erfahren
Leichter, robuster Fahrradschlauch: Aeron-TPU
mehr erfahren
18 Kilogramm leichtes E‑Mountainbike: Flyer „Uproc SL:X“
mehr erfahren
Vollgefedert unterwegs: Riese & Müller „Delite 5 GT Pinion“
mehr erfahren
Neugierig auf mehr Fahrrad-Neuheiten?
Hier werden Sie fündig!