„Mit dem Produkt Fahrrad sind wir mittel- und langfristig gut aufgestellt“
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Busch & Müller, gegründet 1925, schaut auf eine 100-jährige Geschichte rund um das Thema Beleuchtung an Zweirädern zurück. Los ging’s mit Katzenaugen, mittlerweile werden Scheinwerfer und Rücklichter für Fahrräder und Motorräder im sauerländischen Meinerzhagen hergestellt. Der Fahrradanteil liegt bei rund 65 Prozent. Am Firmenstandort sind 240 Menschen mit unterschiedlichen Aufgaben von der Entwicklung bis zur Produktion beschäftigt. Das Unternehmen versucht, nach Möglichkeit mit regionalen Partnern zu arbeiten, soweit es vertretbar ist. Elektronische Baugruppen werden von einer Schwesterfirma aus der Region bezogen, wo weitere 60 Mitarbeiter:innen angestellt sind. Kunststoffe fertigen Bayer und BASF. Bei einzelnen Elektronikbauteilen wie LEDs oder Kondensatoren ist man auf asiatische und US-amerikanische Partner angewiesen, da diese Teile kaum noch in Deutschland hergestellt werden.
pressedienst-fahrrad: Herr Müller, wenn wir auf den Automarkt blicken, ist „Made in Germany“ selbst im Luxussegment nicht mehr ohne Konkurrenz. Eine deutsche Marke zu fahren, hat nicht mehr die Symbolik. Ist „Made in Germany“ nicht mehr das Qualitätsmerkmal, das es früher war?
Guido Müller: Ein Qualitätsmerkmal ist es bis heute. „Made in Germany“ hat noch immer im Aus- und Inland den Glanz, den es einmal hatte und ist nach wie vor ein Verkaufsargument. Das gilt für unsere beiden Geschäftsfelder: sowohl den Fahrrad- als auch den Motorradmarkt. In der Vergangenheit war es häufig so, dass die Motorradbranche und die Fahrradbranche gegenläufig waren. Wenn die eine schwächelte, war die andere leistungsstark und andersherum. Im Moment schwächeln beide, das Fahrrad aber etwas mehr.
Woran liegt es? Sind deutsche Produkte zu teuer geworden?
Die Kostenstruktur in Deutschland ist relativ hoch. Die Energie- und Lohnnebenkosten machen viel aus. Aber ich glaube nicht, dass das der hemmende Faktor ist. Es gibt viele asiatische Produkte bei Fahrrädern und Teilen. Die haben die gleichen Probleme wie Produkte, die in Deutschland gefertigt werden. Speziell im Fahrradbereich ist die aktuelle Krise nicht unbedingt ein Preisthema.
Gibt es Besonderheiten, warum die Fahrradbranche besser durch die Krise kommt?
Das ist eine spannende Frage. Ich würde nicht behaupten, dass sie besser durch die Krise kommt, die Krise hat nur später angefangen. Der Benefit ist, dass wir im Gegensatz zu anderen Branchen, z. B. der Automobilbranche, gute Jahre in der Coronazeit hatten. Da ist eine Menge Geld für Fahrräder ausgegeben worden. Von diesem Vorteil können momentan noch viele Marktteilnehmer zehren. Mittlerweile sind allerdings die Lager übervoll und wollen abgebaut werden. Die Fahrradindustrie ist in der Krise angekommen. Mittelfristig ist die Fahrradindustrie eine gute Branche, denn das Fahrrad löst viele Probleme bei Mobilität, Klimaschutz und Gesundheit. Ein sympathisches Fortbewegungsmittel. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir mit dem Produkt Fahrrad mittel- und langfristig gut aufgestellt sind.
Dafür müssen die politischen Rahmenbedingungen auch stimmen und mehr in die Infrastruktur investiert werden. Im aktuellen Wahlkampf liest man leider vom Fahrrad nicht mehr viel. Was ist Ihr Wunsch an die künftige Regierung, damit es der Branche wieder besser geht?
Wir brauchen mehr Planungssicherheit. Innerhalb kürzester Zeit gab es viele Richtungswechsel in der Politik, was es erschwerte, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Ein Senken der hohen Energiekosten ist ein weiteres Thema für „Made in Germany“, ebenso die Entbürokratisierung. Die Fahrradindustrie ist eine mittelständisch geprägte Industrie mit kleinen Unternehmen und weniger Großkonzernen. Wir werden im Moment mit Verordnungen von der EU überflutet. Jede Verordnung mag ihre Berechtigung haben, aber für ein mittelständisches Unternehmen ist es unheimlich schwer, diese Schlagzahl umzusetzen. Dafür bräuchten wir entsprechende Fachkräfte. Das ist ein Engpass. Mein größter Wunsch ist deshalb: die Anzahl an neuen Normen deutlich reduzieren. Ansonsten blähen wir künstlich Kosten auf. Wir bezahlen die Menschen, obwohl sie an der Wertschöpfung eines Produkts nicht direkt mitarbeiten.
Ein großes Problem für Firmen in Deutschland ist der Fachkräftemangel. Wie schafft man es, Fachkräfte zu finden und auch zu halten, damit die Produktion weitergehen kann? Und hält man vielleicht in Krisen auch länger an Fachkräften fest, weil sie schwer wieder zu finden sind?
Unser absoluter Wunsch ist es, das Personal zu halten. Es ist ein Spagat, den Mitarbeitern zu signalisieren, dass es wieder aufwärtsgehen wird, wenn wir Personal abgebaut haben. Das war in großen Teilen ein natürlicher Abbau, z. B. durch Renteneintritte, die nicht ersetzt wurden. Auf der anderen Seite investieren wir in neues Personal im Bereich Entwicklung, Qualitätsmanagement und Verwaltung. Wir haben viele neue Ideen, die wir umsetzen möchten. Wenn die Wirtschaft wieder anzieht, müssen die Strukturen stimmen, damit wir gut gerüstet sind. Dieses Personal ist aktuell etwas leichter zu bekommen, weil andere Wirtschaftszweige stärker schwächeln. Da liegt für uns ein Vorteil in der Krise. Außerdem bilden wir deutlich mehr Leute aus, auch in neuen Berufen, um uns Nachwuchskräfte heranzuziehen.
Es wird schon von einer Deindustrialisierung in Deutschland gesprochen. Es gibt aber auch immer wieder Stimmen, die jetzt gerade die beste Zeit für Investitionen sehen. Wie sind Ihre Prognosen für die nächsten Jahre?
Es wird nicht mehr weiter bergab gehen. Aber es wird wohl noch eine gewisse Zeit dauern, bis es wieder richtig nach oben geht. Im Moment traue ich mich nicht mehr, belastbare Aussagen zu treffen, weil es einfach nicht absehbar ist. Für uns ist klar: Wir rüsten uns für die Zukunft – und das natürlich am Standort Meinerzhagen.
Mit dem Friendly-Konzept hat Busch & Müller vor ein paar Jahren den Weg in eine möglichst nachhaltige Produktion eingeschlagen. Kann man in der Krise an dem Konzept festhalten?
Wir investieren weiterhin in die Friendly-Politik. Wir wollen mit nicht erdölbasierten Kunststoffen weiterarbeiten. Leider ist das nicht so einfach, wie wir es damals gedacht hatten, weil sich das Material anders verhält. Aber wir stellen nach und nach unsere Produkte um. Weiterhin setzen wir auf Ökostrom, der im Einkauf für uns teurer ist. Aber wir sehen es als sinnvolle Investition in die Zukunft, weil es gut für das Klima ist.
Info zu Friendly:
Hinter Friendly verbirgt sich das Nachhaltigkeitskonzept von Busch & Müller. Das Konzept betrifft alle Teile des Unternehmens, von der Verwaltung bis zur Produktion, vom sozialen Engagement bis zur Verwendung von nachhaltigen Materialien.
Ist die Senkung der Mehrwertsteuer auf Fahrradprodukte und Fahrraddienstleistungen, wie sie von den Fahrradverbänden gefordert wird, ein staatlicher Anreiz, mehr für das Fahrrad zu tun?
Die Senkung der Mehrwertsteuer wäre auf jeden Fall ein Anreiz, der deutlich helfen würde. Neben den finanziellen Anreizen ist es mindestens genauso wichtig, eine fahrradfreundliche Umgebung zu schaffen. Leute sollen ihre Fahrräder gerne und sicher nutzen.
Ihr Unternehmen wirkt mit bei „Made in Germany – Made by Vielfalt“. Warum ist es wichtig, sich hier zu positionieren?
Wir haben mittlerweile Mitarbeiter:innen mit 15 Nationalitäten in der Firma. Es sind einige schon seit vielen Jahren dabei. Auch in den Jahren 2016/17 haben wir Menschen anderer Nationalität eingestellt, die auf Arbeitssuche waren. Sie unterstützen unsere Produktion und arbeiten gerne in Deutschland. Sie sind wichtig für uns und machen einen guten Job. Deshalb ist für uns „Made by Vielfalt“ ein Thema, das wir gerne unterstützen und hinter dem wir stehen.
Warum ist es für Sie wichtig, am Standort Deutschland festzuhalten, auch langfristig?
Mir macht es unheimlich Spaß, die Produktion und Prozesse zu begleiten – vor allem mit Leuten, die man kennt. Es gibt nicht mehr viele Beleuchtungshersteller, die in Deutschland produzieren. Für uns funktioniert das aber. Deshalb ist es klar, dass wir nicht die Billigsten sein können, was nicht unser Anspruch ist. Wir wollen gut sein und Spaß an unserer Sache haben.
Zur Person:
Guido Müller führt den Familienbetrieb Busch & Müller in dritter Generation und trat bereits 1998 in die Geschäftsführung ein. Der 53-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Interview: Thomas Geisler