„Ohne Innovation wird ‚Made in Germany‘ ausgehöhlt“
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Porsche E‑Bike Performance wurde 2022 als ein Joint Venture des Automobilherstellers Porsche und der niederländischen Gesellschaft Ponooc Investment B.V. gegründet. Der Konzern übernahm damals das bayerische Unternehmen Fazua, einen Anbieter von leichten und kompakten Mittelmotorsystemen. Dazu wurde mit dem kroatischen Fahrrad- und Technologieexperten Greyp ein weiters Unternehmen aus der Fahrradbranche erworben. Die Endmontage der Fazua-Antriebssysteme findet am Standort in Ottobrunn (bei München) statt. Batterien für das Porsche-Antriebssystem sollen zukünftig im Werk in Kroatien gefertigt werden. Das Material und die Komponenten bezieht das Unternehmen von verschiedenen Lieferanten aus Deutschland, Europa und Asien. Das für 2026 erstmals unter der Marke Porsche angekündigte E‑Antriebssystem wird voraussichtlich auch im Großraum München gefertigt werden. In Summe hat das Unternehmen ca. 400 Mitarbeiter:innen, davon rund zwei Drittel in Ottobrunn.
pressedienst-fahrrad: Herr Becker, die Fertigung von Batterien wird dank günstiger Produktionsbedingungen oft in China gemacht. Warum plant Porsche E‑Bike Performance die Produktion der Batterien zukünftig in Kroatien?
Dr. Jan Becker: Wir haben die Grundsatzentscheidung getroffen, unter der Marke Porsche keine Fertigung in China aufzunehmen. Porsche wird als Luxusmarke und mit dem Label „Made in Germany“ assoziiert. Deshalb haben wir schon sehr früh entschieden, uns auch im Bereich der E‑Bike-Antriebssysteme auf Europa zu fokussieren. Mit den zwei Standorten der erworbenen Marken Fazua und Greyp sind wir gut aufgestellt für eine Fertigung in Europa. Kroatien hat gegenüber München gewisse Kostenvorteile, die zwar kleiner werden, aber weiterhin signifikant sind. Der kroatische Standort verfügt über viel Kompetenz im Bereich Software und Batteriefertigung. Das wollten wir weiter nutzen.
Wenn wir auf den Automarkt blicken, ist „Made in Germany“ selbst im Luxussegment nicht mehr ohne Konkurrenz. Eine deutsche Marke zu fahren, hat nicht mehr dieselbe Strahlkraft wie früher. Ist „Made in Germany“ kein Kaufkriterium mehr?
Es ist nach wie vor ein Kaufkriterium. Aber: Man darf sich nicht darauf ausruhen, sondern muss sich bewusst machen, wofür „Made in Germany“ steht: für Innovationskraft und Qualität. Das gilt es zu erhalten und dafür brauchen wir die richtigen Strukturen und Raum für Forschung und Entwicklung. Ohne Innovation wird „Made in Germany“ ausgehöhlt. Und auch bei der Qualität der Produkte müssen wir sicherstellen, dass wir die hohen Ansprüche weiterhin erfüllen.
Aber kann es nicht sein, dass man dann auch zu viel möchte und mit einer abgespeckten, günstigeren Version erfolgreicher wäre?
Man darf „Made in Germany“ nicht mit teuer und over-engineered gleichsetzen und die verkörperten Werte sollten auch auf unterschiedlichen Preispunkten möglich sein. Dafür muss man sein Produktportfolio richtig aufsetzen.
Wir setzen auf innovative Technologien. Fazua war Vorreiter von Light-Assist-Antrieben und mit dem Porsche-Antrieb wollen wir ebenso neue Wege einschlagen. Innovation ist und bleibt also ein zentrales Thema.
Ein großes Thema sowohl in der Automobil- als auch in der Fahrradbranche ist die Digitalisierung. Einerseits bei der Optimierung der Lieferketten und andererseits auch bei den Vorteilen für die Nutzer:innen. Was braucht es, damit das Thema weiter vorankommt?
Ich würde hier ganz vorne anfangen, bei der Ausbildung. In den Schulen und an den Universitäten schenken wir dem Thema zu wenig Aufmerksamkeit. Software-Ingenieure werden in Südosteuropa oder in Indien rekrutiert, weil es in Deutschland zu wenige Fachkräfte gibt. Kurzfristige Umgestaltungen durch neue Ausbildungsberufe ändern nichts am strukturellen Defizit. Man muss langfristig denken, kommende Generationen bereits heute mit digitalen Themen in Berührung bringen. Ein weiterer Punkt ist die digitale Infrastruktur. Schnelles Internet ist beispielsweise immer noch nicht flächendeckend verfügbar. Es hakt, weil einige Entscheider mit diesem Thema nicht groß geworden sind, die hohe Dynamik nicht immer verstehen und nicht erkennen, wie essenziell das Thema für die nächsten Generationen ist.
Was muss eine kommende Bundesregierung noch tun, um den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder zu stärken?
Die derzeitige Lage erfordert eine wirtschaftspolitische Kursänderung, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Industriestandort effektiv zu stärken. Hierzu sind politische Entschlossenheit und zügige Entscheidungen erforderlich. Zusätzlich müssen Anreize für Investitionen geschaffen werden, um Deutschland für weitere Investoren aus dem Ausland interessant zu machen. Ein Anreiz für eine Fertigung in Deutschland könnte beispielsweise erneuerbare Energie sein, allerdings muss auch hier die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund stehen.
Im Wahlkampf kommt das Thema Fahrrad so gut wie nicht vor. Was hat die Fahrradbranche für ein Problem, um sich in der Politik zu etablieren?
Das ist eine sehr interessante Frage. Im Gegensatz zur Automobilbranche ist die Fahrradbranche stark fragmentiert. Es gibt viele Hersteller und Verbände, mit unterschiedlichen Ansätzen. Ich würde mir wünschen, dass es in der Fahrradbranche auch konsolidierte Verbände gibt und diese gemeinschaftliche Interessen verfolgen.
Immer mehr Fahrradhersteller holen mittlerweile die Rahmenproduktion wieder zurück nach Europa. Ist das etwas, was gut für die Branche ist?
Es gibt gute Gründe, in Europa zu produzieren. Das beginnt bei den kürzeren Transportwegen, geht über verlässlichere Lieferketten und besser kontrollierbare Abhängigkeiten. Ein weiterer Vorteil ist auch die Nähe von Entwicklung und Produktion, denn beide Bereiche profitieren von einem engen Austausch. Auf der anderen Seite gibt es Kostenvorteile in Asien. Inzwischen gibt es auch die Verlagerungen aus China heraus in Drittländer, in denen ein noch günstigeres Lohnniveau herrscht. Das kann man nicht einfach negieren. Wir können in Deutschland und Europa auf einem höheren Kostenniveau arbeiten, dürfen das allerdings nicht überreizen.
Wie stark trifft Sie die Zollpolitik der US-Regierung?
Freier Handel und offene Märkte sind die Basis von Wachstum und Wohlstand und das Verhängen von Strafzöllen schadet einer Exportnation wie Deutschland. Über etwaige regulatorische Pläne der neuen US-Administration und deren Auswirkungen auf uns möchten wir nicht spekulieren.
Zur Person:
Die Karriere von Dr. Jan Becker bei Porsche begann bereits 1999 im Stab des damaligen Vorstandsvorsitzenden. Von 2008 an war er in unterschiedlichen Positionen bei der Porsche Lifestyle Group tätig, zuletzt als CEO. Im August 2022 übernahm er als Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Porsche E‑Bike Performance GmbH.
Interview: Thomas Geisler