Openstreetmap: Ein Hidden Champ wird 20 Jahre alt
Die vielleicht wichtigste digitale Karte der Welt
Nach gerade einmal 20 Jahren ist Openstreetmap möglicherweise schon die wichtigste digitale topographische Kartenquelle der Welt geworden – nicht nur, aber auch zum Radfahren. Dabei hält sie sich stets im Hintergrund, denn Openstreetmap ist eigentlich nur eine geographische Datenbank, in der sämtliche Wege und Objekte verzeichnet werden können, die man auf der Erdoberfläche sieht und mit allen Merkmalen, die man vor Ort erkennen kann. Allerdings – sie ist nicht amtlich, sondern lebt von den Einträgen freiwilliger „Mapper“. Die Daten selbst können als „Open Data“ frei und kostenlos genutzt werden. Ähnlich wie bei Wikipedia können alle mitmachen, die sich registrieren.
Entstehung:
Als Geburtsdatum von Openstreetmap gilt der 9. August 2004, denn an diesem Tag wurde die Domain Openstreetmap.org registriert. Die Idee zu einer freien Weltkarte hatte Steve Coast in London. Zwei Jahre später stand das System dann soweit, dass Freiwillige, sog. „Mapper“, die ersten Datenbestände online zusammentragen konnten.
Inzwischen hat sich eine derartige Qualität entwickelt, dass sämtliche großen Anbieter wie Garmin, Bosch und Wahoo, aber auch Komoot, Outdooractive und Naviki etc. sowohl ihre digitalen Karten als auch ihre Streckenberechnungen weitestgehend auf Openstreetmap-Daten aufbauen. „Openstreetmap liefert die Karten für nahezu alle populären Wander- und Fahrrad-Plattformen weltweit. Die engagierte Community trägt dazu bei, die genauesten und aktuellsten Geodaten im Outdoorbereich zu pflegen“, sagt Tobias Hallermann, Mitgründer von Komoot. Der Anbieter der Navigations-App profitiert dabei von der Entwicklung, denn eine Komoot-Karte zeigt zwar ihr eigenes Bild, aber die Inhalte stammen fast ausschließlich aus Openstreetmap und werden aus dieser Datenbank regelmäßig aktualisiert. Für die Anbieter von Navigations-Apps ist Openstreetmap die wichtigste Kartenquelle – die Informationen über Wegart und Oberfläche stammen in der Regel aus Openstreetmap, ebenso die Hinweise auf Treppen, Fähren etc.
29 Milliarden hochgeladene GPS-Punkte
Auf allen Wegen
Unterschiedliche Wegtypen sind in den Karten zu sehen – und zwar genau so, wie sie aussehen und beschildert sind. Komplette Wegenetze, sämtliche Straßen, Feld- und Waldwege, weltweit digital verknüpft. So können auf diesem Wegenetz Strecken berechnet werden. Damit dieses Routing auch für verschiedene Nutzer:innen optimiert werden kann, haben die einzelnen Streckenabschnitte zahlreiche Attribute („Tags“), wie Breite, Oberflächenbeschaffenheit, Asphaltierung, Beschilderung etc. Inzwischen ist eine große Sammlung entstanden, aus der sich dann ganz einfach einzelne Karten mit bestimmten Inhalten herausfiltern lassen. So hat sich zum Beispiel die Open Cycle Map gebildet, die sämtliche Radverkehrsanlagen und beschilderten Radrouten, aber auch Fahrradgeschäfte und Abstellanlagen zeigt. Dank der verschiedenen Tags können Strecken für Schotterwege, Rennräder oder Mountainbikes berechnet werden. Natürlich immer nur so gut, wie die einzelnen Abschnitte auch erfasst sind. Ein verlässliches Routing für Lasten- und Spezialräder fehlt indes bislang. Denn auf kaum einer Karte sind Durchfahrtsbreiten gemappt. Das könnte OSM bieten, aber dafür braucht es eben Mapper, die dies dann auch vor Ort durchgehend erheben.
Mehr als reine Navigation
OSM ist aber weit mehr als eine reine Navigations-App, z. B. kann man die Karten auch zur Nutzung für die Ortung von Fahrrädern und E‑Bikes verwenden. Dank dieser Möglichkeiten können Unternehmen wie IoT Venture einen Service bieten, der es ermöglicht, Räder wiederzufinden, wenn sie gestohlen wurden oder wenn man sich partout nicht mehr erinnern kann, wo man es geparkt hat.
Wer ist zuständig?
2006 erfolgte die Gründung der Openstreetmap Foundation (OSMF), einer Art gemeinnützige GmbH mit Sitz in Cambridge, mit sieben Vorstandsmitgliedern, von denen jedes Jahr zwei neu gewählt werden. Für einzelne Länder sind „Local Chapter“ zuständig, in Deutschland ist dies der FOSSGIS e. V. mit Sitz in Berlin.
Mitmachen ist möglich
OpenStreetMap ist aber längst nicht perfekt und braucht ständige Pflege. Dabei geht es weniger um das Einzeichnen neuer Wege, sondern um die Überprüfung und Vervollständigung der vorhandenen Elemente. Sind Oberfläche, Breite, Belag eines Weges bereits eingetragen? Ist es ein benutzungspflichtiger Radweg, zu welcher Themenroute gehört er, oder ist er für Radfahrer:innen eventuell verboten? Auch Fahrradwerkstätten, Abstellanlagen, Schutzhütten und Übernachtungsmöglichkeiten wollen aktuell gehalten werden. Hier gibt es noch eine Menge zu tun.
Problem: OpenStreetMap-Karten wachsen und wachsen
Als „Planet file“ ist der OSM-Datensatz inzwischen (je nach Exportformat) auf 70 bis 130 Gigabyte angewachsen. Auch die Karten werden größer und größer. Jede:r Garmin-Nutzer:in merkt dies, weil die Europa-Karten inzwischen schon mehrere Gigabyte verursachen und den Speicher auch aktueller Geräte sprengen. So stellt Sigma beispielsweise auf seinen Karten keine einzelnen Adressen mehr dar, sondern nur noch Straßen, weil durch den Wegfall der gesamten Einzelhäuser die Datengrundlage wesentlich verkleinert wird.
Zum Autor
Thomas Froitzheim war lange Jahre Leiter der Kartenredaktion beim Bielefelder Verlag BVA und zuständig für digitale Kartographie sowie GPS-Anwendung. Bereits 2007 gründete er Naviso Outdoornavigation. Seitdem beschäftigt er sich mit Feldarbeiten, Schulungen, Tests und Berichterstattung im Bereich Outdoor-Navigation.