S-Pedelec: Werden Radwege bald öfter freigegeben?
Übrigens:
Um S‑Pedelecs in Deutschland populärer zu machen, wird immer wieder eine Freigabe von Radwegen für die Fahrzeuge angeregt. Als erste Stadt hat Tübingen 2019 den Schritt gewagt und ein Radwegenetz für S‑Pedelec-Nutzer:innen freigegeben. In Zusammenarbeit mit der Landesregierung von Baden-Württemberg ist so ein spezielles Verkehrsschild entstanden, das auf die Freigabe von S‑Pedelecs auf diversen Verkehrsflächen hinweist. Rund 100 dieser Schilder sind mittlerweile im Stadtgebiet installiert und das so entstandene S‑Pedelec-Wegenetz umfasst ca. 80 Kilometer. Außerdem wurden Geschwindigkeitsbeschränkungen an sicherheitsrelevanten Knotenpunkten eingeführt. Die Bilanz bislang: Es gibt keine polizeilich gemeldeten S‑Pedelec-Unfälle und keine Beschwerden aus der Öffentlichkeit.
Bedenken bestätigen sich nicht
Die Sicherheitsbedenken, die im Vorfeld geäußert wurden, haben sich laut Daniel Hammer aus der kommunalen Fachabteilung Verkehrsplanung nicht bestätigt. Um die Maßnahmen wissenschaftlich zu begleiten und für weitere Projekte auszuwerten, läuft seit Mai 2023 ein Forschungsprojekt der Hochschule Rhein-Main in Tübingen. Dabei geht es um die Wirkung der verkehrsplanerischen und verhaltenswissenschaftlichen Maßnahmen. Der Fokus liegt insbesondere auf Menschen, die zum Umstieg vom Auto aufs S‑Pedelec ermutigt werden sollen. Dafür wird ihnen ein S‑Pedelec für einen mehrwöchigen Zeitraum zur Verfügung gestellt. Die Ergebnisse aus den Testzeiträumen fließen anschließend mit in die Forschung ein und sollen zeigen, welche Bedeutung die Räder für die Verkehrswende haben. Die Laufzeit des Projekts ist bis Dezember 2024 angesetzt.
Erste Testläufe in Nordrhein-Westfalen geplant
Die Entwicklungen in Baden-Württemberg färben mittlerweile auch auf andere Bundesländer ab. Ein Erlass in Nordrhein-Westfalen erlaubt es den dortigen Kommunen ebenfalls, ein Verkehrsschild zur Radwegefreigabe für S‑Pedelecs zu installieren. Das Interesse ist laut Udo Sieverding, Abteilungsleiter Mobilität der Zukunft im Verkehrsministerium von Nordrhein-Westfalen, äußerst hoch. Speziell im Münsterland gebe es großes Interesse. Es gehe jetzt darum, erste Modellkommunen zu etablieren und das Thema ins Rollen zu bringen. Für Sieverding ist allerdings auch klar: „Es steht und fällt mit der Verkehrssicherheit. Wenn es mehr Unfälle gibt, können wir den Erlass nicht halten“, sagte er bei einer Veranstaltung der „Allianz Zukunft S‑Pedelec“. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von S‑Pedelec-Herstellern und einer Lobbygruppe, die das Thema in den öffentlichen und politischen Fokus rücken möchten. „Wir sehen mit sehr großer Freude, dass nach vielen Jahren des Stillstands nun richtig Bewegung in das Thema S‑Pedelec gekommen ist. Die Allianz Zukunft S‑Pedelec hat mit ihren vielfältigen Kontakten hinein in Politik, Verwaltung, Forschung und Industrie ein völlig neues Momentum erzeugt. Das Fachgespräch hat das erneut eindrücklich illustriert: Einfach nur dadurch, dass man die verschiedenen Player an einen Tisch bringt, entstehen im unmittelbaren Austausch neue Ideen“, sagt Alexander Kraft, Pressesprecher des Liegeradherstellers HP Velotechnik, der Mitglied der Allianz ist.
Blick ins Ausland bringt neue Ideen
Insbesondere zielgerichtete Blicke über die Landesgrenzen hinweg haben laut Kraft offenkundig vielen die Augen geöffnet und beweisen: Bessere Rahmenbedingungen für S‑Pedelecs fördern die Nutzung der Fahrzeuge in der Bevölkerung. Neben der Schweiz, die als Vorreiter in Sachen S‑Pedelec-Nutzung gilt, weil dort eine Freigabe für Radwege umgesetzt wird, steigt auch in Belgien, den Niederlanden und Dänemark der Anteil an S‑Pedelec-Nutzer:innen. Das wird dabei auf unterschiedlichen Wegen erreicht. „Lockere Regulierungen haben zur Folge, dass mehr Menschen mit den Fahrzeugen unterwegs sind“, betont Anke Schäffner vom Zweirad-Industrie-Verband. Die Vertretung der deutschen Fahrradindustrie hat eine Studie über die Nutzung von S‑Pedelecs im Ausland veröffentlicht. Dabei zeigt sich: Wer S‑Pedelecs als Teil der neuen Mobilität versteht, bringt das Thema weiter und macht es attraktiv.
In Belgien wurde beispielsweise eine eigene Fahrzeugklasse für S‑Pedelecs eingeführt. Das ermöglicht, spezielle Regelungen für die Fahrzeuge leichter umzusetzen und zu konkretisieren. So dürfen S‑Pedelec-Fahrende Radwege benutzen, aber keine geteilten Rad- und Fußwege. Bei einer Regelgeschwindigkeit bis zu 50 km/h können die S‑Pedelec-Fahrer:innen selbst entscheiden, ob sie die Fahrbahn oder den Radweg nutzen möchten. Ab 50 km/h Verkehrsgeschwindigkeit, also außerorts, müssen sie auf dem Radweg fahren. Der Erfolg der Maßnahmen zeigt sich in stark wachsenden Verkaufszahlen bei S‑Pedelecs. In den Niederlanden werden S‑Pedelecs wie Mopeds behandelt, d. h. Radwege dürfen nur genutzt werden, wenn sie für Mopeds freigegeben sind. Innerorts liegt die maximale Geschwindigkeit für S‑Pedelecs bei 30 km/h, außerorts bei 40 km/h. Und in Dänemark sind S‑Pedelecs wie ihre 25-km/h‑Pendants sogar dem Fahrrad gleichgesetzt. Dadurch steigt die Akzeptanz in der Bevölkerung deutlich und es wird bereits rund ein Drittel der Pendelfahrten mit S‑Pedelecs gemacht.
S‑Pedelecs für die Zukunft vorbereiten
Die Diskussionen rund ums S‑Pedelec auch in Deutschland zu führen, ist gerade in Hinblick auf das sich ändernde Verkehrsverhalten wichtig. Das S‑Pedelec ist ein Fall unter vielen neuen Fahrzeugtypen, die aktuell auf den Markt kommen – und für die es Regelungen braucht. „Vor einem Jahr wäre es noch völlig undenkbar gewesen, das Thema S‑Pedelec in Zusammenklang mit der Novelle der StVO zu bringen. Doch auch das, da sind wir sicher, wird nur ein Zwischenschritt sein. Je mehr Wege und Möglichkeiten es gibt, sich technologieoffen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilitätswende zu öffnen, desto besser“, fasst Alexander Kraft zusammen.