Kinderfahrzeuge: Spielend lernen auf zwei Rädern
Die Fahrradwelt der Kleinen ist groß und bunt. Längst haben Eltern erkannt, dass Radfahren eine wichtige Kulturtechnik ist, auf der weitere (motorische) Fähigkeiten aufbauen und die auf geeigneten Instrumenten geübt werden muss. Der Fahrradhandel wiederum weiß, dass Kinderfahrzeuge einen wichtigen Teil des deutschen Fahrradmarktes ausmachen – und dass die Kundenbindung kaum früher anfangen kann als mit dem ersten Roller oder Laufrad.
Dass in dieser Typenkunde von Fahrzeugen statt von Fahrrädern gesprochen wird, kommt nicht von ungefähr: Kindliche Mobilität beginnt nun mal nicht auf zwei, sondern auf drei bis vier Rädern und für die Kleinen ist das erste Fahrrädchen nur ein Glied in einer Reihe von unterschiedlichen Fahrzeugen, die wir hier in ihrer chronologischen Reihenfolge vorstellen wollen.
1. Spielfahrzeuge
Kinder, die – wenn auch zunächst mit Hilfe – ihre ersten zögerlichen Schritte hinter sich gebracht haben, können bereits ein kleines Fahrzeug lenken. Die ersten Fahrzeuge sollten vor allem kippstabil sein, so wie die verbreiteten vierrädrigen Rutschfahrzeuge. Nach dem ersten Festhalten am Fahrzeug folgt bald das Draufklettern und kurz danach das Abstoßen mit den Füßen. Da diese „Rutscher“ meist in Wohnungen genutzt werden, haben sie weiche Räder, das schont das gehör und das Parkett. Ohne sich auf die Balance konzentrieren zu müssen, können sich kleine Fahranfänger aber auch schon bald an der Kombination aus Lenken und Pedalieren versuchen. Dafür geeignet sind z. B. Dreiräder, die zudem dank Fußablage und Schiebestange die Mobilität der ganzen Familie erhöhen können.
2. Laufrad
Auf zwei Rädern heißt der Lerneffekt dieses Fahrzeugs: Balance! Dabei vollzieht sich in der Fahrzeug-Vita der Kinder fast auch die historische Evolution des Fahrrads: Auch der Pionier des Radfahrens, Karl Freiherr von Drais, stieß sich mit den Füßen vom Boden ab und hielt sich durch sein Balancegefühl in der Senkrechten, unterstützt von der Kreiselkraft der Räder. Denn das Balancieren, nicht etwa das Pedalieren, ist der wichtigste und gleichzeitig herausforderndste Schritt auf dem Weg zum Radfahren. Weswegen Laufräder so viel sinnvoller sind, um das Radfahren zu lernen, als Fahrräder mit Stützrädern. Manch größere Laufräder bringen sogar schon eine Elastomer-Dämpfung und eine erste Bremse mit.
3. Roller
Das Gleichgewicht lässt sich in ähnlicher Weise auch mit Rollern schulen. Sie werden schon für Kinder ab zwei Jahren angeboten. Aber auch für ältere Kindern gibt es Roller, die selbst dann noch gerne gefahren werden, wenn sie längst Fahrrad fahren können. Eien besonders robuste Art von Roller mit kleinen Rädern sind die Stuntscooter, die neben Skateboard und BMX im Skatepark gefahren werden. Und auch unter Erwachsenen haben Tretroller ihre Fans – sowohl als Alltags‑, Freizeit- oder Sportgerät, als auch die motorisierten Scooter, die quasi keinerlei Beinarbeit bedürfen.
4. Spielfahrrad
Der Name sagt es schon: Spielfahrräder haben im Straßenverkehr nichts zu suchen, sie gehören in geeignete Schonräume wie den Park oder den Spielplatz, wo Kinder ungefährdet üben können. Man erkennt diese Fahrräder schon daran, dass sie keine Lichtanlage aufweisen; auch eine Schaltung findet sich nur an größeren Modellen, denn das Schalten müssen Kinder in dieser Phase noch nicht lernen. Es lenkt nur vom Wesentlichen ab: Treten, Bremsen und Schärfung der Warhnehmung. Spielfahrräder gibt es in diversen Größen: Den Einstieg machen Modelle mit 12,5‑Zoll-Rädern, 18 Zoll sind das Maximum. Wichtige Merkmale sind eine möglichst große Höhenverstellbarkeit (je nach Modell bis zu zehn Zentimeter am Sattel), eine gute Sicherheitsausstattung (dicke Aufprallschützer, geschlossener Kettenkasten), abgerundete Kanten an den Schutzblechen, Stabilität sowie ein möglichst geringes Gewicht.
5. Kinderstraßenfahrrad
Mit diesen Modellen wagen sich kleine Radler zum ersten Mal ins Verkehrsgeschehen – freilich erst einmal auf dem Gehweg, dort allerdings längstens bis zum zehnten Geburtstag. Kinderstraßenräder müssen StVZO-konform ausgestattet sein; eine Lichtanlage, Schutzbleche und ein Gepäckträger für erste Radtouren gehören ebenfalls an Bord. Eine robuste und leichtgängige Drei-Gang-Nabenschaltung ist der Standard. Sinnvollerweise wird die Rücktrittbremse, die sich noch immer an manchen Kinderstraßenrädern findet, um zwei Handbremsen ergänzt, damit auch das Bremsen von Hand geübt werden kann, schließlich ist die Rücktrittbremse (abgesehen vom Hollandrad) beim Erwachsenenfahrrad fast ausgestorben.
Räder für größere Kinder rollen meist auf 24-Zoll-Reifen, hier ist zum Teil schon eine Kettenschaltung mit größerem Gangspektrum verbaut. Natürlich will nicht nur die Schaltung bedient werden, auch den pfleglichen Umgang mit dem Fahrrad sollte der Nachwuchs spätestens jetzt lernten.
Den Sprung zum ersten großen Rad leiten 26-Zoll-Jugendräder ein, die bereits über eine hochwertige Alltagsausstattung mit Nabendynamo, Standlicht und mehr Gänge in der Schaltung verfügen. Schließlich sollen sie die jungen Radfahrer sicher zur Schule tragen. Der Faktor Coolness spielt spätestens hier mit rein – die Räder müssen auch was hermachen. Darum findet sich an vielen Rädern auch schon eine Federung, was funktionell eigentlich nicht ratsam ist. Denn Federgabeln, die sensibel genug sind, um auf das geringe Körpergewicht anzusprechen, oft teurer sind als das komplette Kinderrad.
6. Kinder-Rennrad
Je früher die radsportliche Spezialisierung einsetzt, desto kleiner ist die Auswahl an geeignetem Material. Wer mit zehn, elf Jahren aufs Rennrad steigt, benötigt in der Regel Felgen mit geringerem Durchmesser, denn mit den normalen 28-Zoll-Laufrädern lassen sich kleine Rahmengrößen nicht realisieren. Vereinzelt werden darum auch Sporträder für Kinder mit kleineren Laufrädern angeboten, ab 24 Zoll wird man da fündig. Neben der Sitzergonomie (Rahmengröße, Kurbellänge) ist außerdem der Bedienkomfort zu beachten, wie etwa ein geringer Abstand der Schalt-/Bremshebel zum Lenker. Wenn der Umstieg auf die Standardradgröße ansteht, die üblichen Rahmen aber immer noch nicht passen, schaffen möglicherweise sogenannte Frauenrennräder Abhilfe, die für kleine Körpergrößen optimiert sind.
7. Kinder-Mountainbike
Auch Kinder lassen sich von der Technik eines Geländerads leicht faszinieren – allen voran ist in ihren Augen die Federung ein Muss. Beim Nachwuchs-MTB wirkt jedoch die Gewichtsproblematik in gleich zwei Richtungen: Einerseits ist ein einfaches gefedertes Rad oft so schwer, dass es träge reagiert und den Kids besonders im Gelände viel Kraft abverlangt. Andererseits reicht das geringe Körpergewicht der Fahrer oft einfach nicht aus, um die simple Federung zu aktivieren. Für die Kleineren sind daher leichte Bikes ohne Federung ideal, um Geländespaß zu erleben und das Fahrkönnen zu schulen. Ab etwa drei Jahren bzw. 100 cm Körpergröße geht’s los. Die Mini-Bikes haben 16-Zoll-Laufräder und wiegen ab fünf Kilogramm. Für die Größeren gibt es Modelle mit 20- und später mit 24-Zoll-Rädern, starr oder mit Federgabel, mit acht oder neun Gängen und auch mit extra breiten Plusreifen. Ein Vollfederung ist hier noch selten, aber durchaus machbar – die Räder stehen dann den Bikes der Großen aber auch finanziell kaum nach.
Ab dieser Größe werden auch elektrifizierte Mountainbikes angeboten.
8. BMX-Rad
Für viele ist das BMX das perfekte Kinderrad: kompakt, simpel, nicht kaputt zu kriegen – und mit mächtig Potenzial für Unfug und Fahrspaß. BMX-Räder werden in der Tat oft von Kindern und Jugendlichen gefahren, dank 20-Zoll-Laufrädern und kompakten Rahmen eignen sie sich optimal. Sie sind allerdings auch als Erwachsenensportgerät etabliert – und sind dann auch 24- und 26-Zöller erhältlich, wo dann die Übergänge zum Dirtbike fließend sind. Für ganz kleine Piloten gibt es Modelle mit 16-Zoll-Rädern. Sind BMX-Räder sind allerdings reine Spiel- und Sportgeräte mit bestenfalls eingeschränkten Nachrüstmöglichkeiten.
9. Liegedreirad
Nicht ausschließlich, aber teils auch für Kinder geeignet, sind Liegedreiräder im XS-Format. Sie lassen sich teils auf Körpergrößen ab 1,15 Meter einstellen. Da das Liegedreirad quasi mitwächst, kann eine lange Nutzungsdauer den vergleichsweise hohen Preis relativieren – bei medizinischen Indikationen kann auch eine Förderung durch die Krankenkasse beantragt werden. Für manche Eltern praktisch unbezahlbar ist aber sicher, dass so auch Kindern mit Gleichgewichtsstörungen oder Mobilitätseinschränkungen komplett neue Bewegungshorizonte eröffnet werden.