„Von Deindustrialisierung kann keine Rede sein!“
Zum Unternehmen
SKS Germany ist ein mittelständisches Familienunternehmen mit Sitz in Sundern im Sauerland, das auf eine über 100-jährige Geschichte zurückblicken kann. Das Unternehmen ist Teil der SKS Gruppe, zu der die Blomus GmbH sowie die Schött Aluminium-Druckguss GmbH gehören. Insgesamt hat die Gruppe mehr als 600 Mitarbeitende, bei SKS Germany sind davon knapp über 400 beschäftigt. Die starke Verwurzelung in der Region ist ein wesentlicher Teil der Unternehmensstrategie. Im Fahrradbereich ist das Unternehmen für hochwertiges Zubehör bekannt. Dazu zählen Luftpumpen, Schutzbleche, Minitools, Gepäckträger, Flaschenhalter, Taschen und noch weitere nützliche Accessoires rund ums Bike. Mehr als 90 Prozent der Artikel werden am heimischen Standort produziert. Die Kernkompetenzen liegen im Kunststoffspritzguss und in der Kunststoffextrusion. Die benötigten Kunststoffe werden zum Großteil aus europäischen Ländern bezogen, aber auch aus den USA. Wo es möglich ist, versucht SKS Germany, mit regionalen Partnern zusammenzuarbeiten.
Herr Spork, in Deutschland sind die Zahlen der Industriearbeitsplätze, der Industrieproduktion und der Direktinvestitionen rückläufig. Der Begriff Deindustrialisierung macht die Runde. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?
Marcel Spork: Ich kann hier nur für unser Unternehmen und unsere Branche Auskunft geben. Für uns gilt das nicht! Wir investieren in den nächsten Jahren immens am Standort Deutschland. Von Deindustrialisierung kann überhaupt keine Rede sein – eher im Gegenteil. Wir versuchen, die Fertigungstiefe im Unternehmen noch zu vergrößern. Wir haben Arbeitsabläufe, die Fremdzulieferer übernommen hatten, mittlerweile wieder ins Haus geholt. Z. B. haben wir eine eigene Gepäckträgerbiegemaschine angeschafft. Außerdem haben wir erstmalig in eine Zweikomponenten-Spritzgussmaschine investiert. So können wir die Herstellungsprozesse weiter optimieren und schlanker gestalten. Aus unserer Sicht sind definitiv Investitionen lohnenswert und keine Deindustrialisierung. Für die Branche gilt: Im Trend ist mehr Produktion in Europa. Durch diesen Schritt öffnen sich für uns auch wieder neue Türen, weil wir mit neuen Partnern zusammenarbeiten, die wir mit unseren Schutzblechen versorgen können. Dennoch beobachte ich schon mit ein wenig Sorge, was in Deutschland gesamtwirtschaftlich passiert.
Speziell im Fahrradbereich gilt die günstigere Produktion in Asien seit vielen Jahren als eigentlich gesetzt. Hat sich hier aber speziell durch das E‑Bike etwas geändert, weil das Fahrrad jetzt auch im hochpreisigen Segment angekommen ist und die Unterschiede zum asiatischen Markt gar nicht mehr so extrem sind?
Die Durchschnittspreise im Fahrradbereich sind in den letzten Jahren durch die E‑Bikes gestiegen. Das gibt den verantwortlichen Produktmanagern natürlich mehr Luft, auf lokale Produkte zurückzugreifen. Das ist eine Entwicklung, die wir sehr begrüßen. Auf der anderen Seite sind wir als Unternehmen im globalisierten Umfeld aufgefordert, uns neu zu erfinden und unsere Prozesse so zu gestalten, dass wir wettbewerbsfähig bleiben. Wir sehen, dass wir gerade bei Produkten, die nicht so stark lohnintensiv sind, im Vergleich zur asiatischen Konkurrenz wettbewerbsfähig sind, da wir kaum Transportkosten haben und hohe Verfügbarkeiten für die Kunden sicherstellen. Schwierig wird es dann, wenn hohe Lohnkosten durch viele Arbeitsschritte mit ins Spiel kommen. Das ist sicherlich auch eine Forderung an die Politik, hier zu handeln. Ständig steigende Lohnnebenkosten belasten die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen – und das merken wir auch.
Was muss eine neue Bundesregierung tun, damit der Industriestandort Deutschland eine Zukunft hat?
Man liest ja auf den Wahlplakaten „Mehr netto“ oder „Bürokratie runter“. Das sind Floskeln, die ich gerne unterschreibe. Aber beim Thema Bürokratie ist es nicht nur Deutschland, sondern die EU. Wir sind aber unheimlich gut darin, Vorgaben der Europäischen Union nicht nur zu übernehmen, sondern mit dem ein oder anderen Extra zu garnieren. Da würde ich mir mehr Pragmatismus wünschen, wie die Dinge in der Praxis auch vernünftig umzusetzen sind. An der Stelle sollte Bürokratie ein Stück weit abgebaut werden. Was sich dazu jedes Unternehmen wünscht, sind verlässliche Rahmenbedingungen. Gerade in den letzten Jahren wurden viele Dinge diskutiert, die großen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen haben, die Energiepolitik beispielsweise. Da wünschen wir uns mehr Planbarkeit. Es ist alles richtig, was diskutiert wird, aber man muss auch mal zu dem Punkt kommen, wo eine Entscheidung getroffen wird, die umgesetzt und auch durchgehalten wird. Es gibt nichts Schlimmeres als einen Schlingerkurs. Wir müssen wieder dorthin kommen, dass wir uns auf die Vorgaben verlassen können – auch wenn nicht jede Entscheidung einem passt.
Aus der politischen Rechten gibt es immer wieder Forderungen, Deutschland solle wegen der Bürokratie aus der EU austreten. Was halten Sie davon?
Wir haben ein praktisches Beispiel mit dem Ausstieg des Vereinigten Königreiches aus der EU. Der hat uns sehr weh getan. Seitdem sind die Abläufe viel komplizierter geworden. Wir müssen viel mehr in Vorlauf planen, für den Kunden ist es umständlicher bei der Abwicklung. Insofern: Wenn wir irgendwas richtig falsch machen wollen, sollten wir aus der Europäischen Union aussteigen. Wer so etwas fordert, ist irre.
Wenn wir auf das Thema Zölle schauen, kommt auch die US-Politik unter Donald Trump ins Spiel. Ist Ihr Unternehmen davon direkt betroffen?
Für uns ist es schon relevant, was auf der Weltbühne beim Thema Zölle und Handelsbeschränkungen passiert. Bei Exporten in die USA könnten uns höhere Zölle treffen. Wir haben in den USA ein Tochterunternehmen, das sich um den Vertrieb kümmert. In der Vergangenheit war es schon mal der Fall, dass wir aufgrund von Zollbedingungen Einzelteile in die USA schicken mussten und die Produkte erst vor Ort zusammengebaut wurden. Bei den Importen würde es unsere Unternehmensschwester Blomus stärker betreffen, wo viele Produkte aus Fernost bezogen werden.
Es gab auf EU-Ebene schon öfter den Vorschlag, aus „Made in Germany“ einheitlich „Made in Europe“ zu machen. Hätte das Auswirkungen im Wettbewerb – positiv wie negativ?
Ich finde den Punkt sehr interessant. Rein aus deutscher Sicht gesehen, scheint es Quatsch. „Made in Germany“ hat einfach ein Standing. Wenn man aber international schaut, hätte es auch Vorteile, gerade in Märkten, die Deutschland nicht so positiv sehen. Aber andere europäische Marktplayer würden ein Qualitätssiegel erhalten, das sie sonst nicht erhalten würden. Da muss man sauber abwägen. Stand heute überwiegen für uns die Argumente, an „Made in Germany“ festzuhalten, das ist immer noch ein Prädikat.
Kann „Made in Germany“ aber auch dazu führen, dass man aus Sicht der Kundinnen und Kunden sagt: Das steht für überteuert?
Das ist unsere Aufgabe als Unternehmen, darauf zu achten, dass uns die Kosten nicht weglaufen und wir unglaubwürdig werden und einen Vorteil verlieren. Wir dürfen genauso viel kosten wie andere oder sogar ein bisschen mehr, aber mit dem Qualitätsversprechen „Made in Germany“. Da dürfen wir aber die Schraube nicht überdrehen, sondern immer wieder drauf achten und daran arbeiten, die richtigen Preise zu setzen. Wir müssen uns daran orientieren, was der Markt fordert und uns nicht darauf ausruhen und hoffen, dass allein eine Produktion in Deutschland es richten wird und die Produkte 20 bis 30 Prozent mehr kosten. Wir sind gefragt, wie wir die Kosten in den Griff bekommen und die relevanten Marktpreispunkte dann auch treffen.
Ein strukturelles Problem für Firmen in Deutschland ist der Fachkräftemangel. Wie schafft man es, Fachkräfte zu finden und auch zu halten, damit die Produktion weitergehen kann? Und hält man in Krisen vielleicht auch länger an Fachkräften fest, weil sie schwer wieder zu finden sind?
Unser Standort ist zwar ländlich geprägt, aber Südwestfalen ist die drittstärkste Industrieregion Deutschlands, gemessen an den Arbeitsplätzen. Das ist einerseits gut, aber andererseits aufgrund der niedrigen Bevölkerungsdichte auch problematisch, weil der Fachkräftemangel voll durchschlägt. Das merken wir zunehmend. Für die Zukunft ist es ein Thema, eine attraktive Arbeitgebermarke zu sein. Da müssen wir dran arbeiten. Wir haben hier einige namhafte Anbieter aus anderen Branchen als Konkurrenz, die aber die gleichen Probleme haben. Als Familienunternehmen sind wir generell daran interessiert, unsere Mitarbeitenden langfristig zu binden. Auch wenn wir merken, dass die Neigung zu einer langfristigen Bindung an einen Arbeitgeber mehr und mehr abnimmt.
Was für einen gesellschaftlichen Einfluss hat es auf eine Region, wenn eine Firma noch in Deutschland produziert?
Das ist ein absolut wichtiger Punkt. Wir haben die langfristige Strategie, die Marke in der Region zu verwurzeln und durch Aktionen unser Unternehmen als positiven Arbeitgeber zu zeigen – auch wenn wir dadurch im ersten Schritt vielleicht keine Luftpumpe zusätzlich verkaufen.
Zur Person:
Marcel Spork arbeitet bereits seit 20 Jahren für SKS Germany, seit 2008 als Vertriebsleiter Aftersales. In seiner Position ist er für alle Aftersales-Aktivitäten des Unternehmens zuständig.
Interview: Thomas Geisler